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die Notwendigkeit, schnell alle Räume wenigstens oberflächlich zu
besichtigen, vor allem aber eiligst zum Burgplatz vorzudringen, das alles
verwandelt meine Müdigkeit in Unruhe und Eifer, es ist, als hätte ich während
des Augenblicks, da ich den Bau betrat, einen langen und tiefen Schlaf getan.
Die erste Arbeit ist sehr mühselig und nimmt mich ganz in Anspruch: die
Beute nämlich durch die engen und schwachwandigen Gänge des Labyrinths
zu bringen. Ich drücke vorwärts mit allen Kräften und es geht auch, aber mir
viel zu langsam; um es zu beschleunigen, reiße ich einen Teil der
Fleischmassen zurück und dränge mich über sie hinweg, durch sie hindurch,
nun habe ich bloß einen Teil vor mir, nun ist es leichter, ihn vorwärts zu
bringen, aber ich bin derart mitten darin in der Fülle des Fleisches hier in den
engen Gängen, durch die es mir, selbst wenn ich allein bin, nicht immer leicht
wird durchzukommen, daß ich recht gut in meinen eigenen Vorräten ersticken
könnte, manchmal kann ich mich schon nur durch Fressen und Trinken vor
ihrem Andrang bewahren. Aber der Transport gelingt, ich beende ihn in nicht
zu langer Zeit, das Labyrinth ist überwunden, aufatmend stehe ich in einem
regelrechten Gang, treibe die Beute durch einen Verbindungsgang in einen für
solche Fälle besonders vorgesehenen Hauptgang, der im starkem Gefälle zum
Burgplatz hinabführt. Nun ist es keine Arbeit mehr, nun rollt und fließt das
Ganze fast von selbst hinab. Endlich auf meinem Burgplatz! Endlich werde
ich ruhen dürfen. Alles ist unverändert, kein größeres Unglück scheint
geschehen zu sein, die kleinen Schäden, die ich auf den ersten Blick bemerke,
werden bald verbessert sein, nur noch vorher die lange Wanderung durch die
Gänge, aber das ist keine Mühe, das ist ein Plaudern mit Freunden, so wie ich
es tat in alten Zeiten oder – ich bin noch gar nicht so alt, aber für vieles trübt
sich die Erinnerung schon völlig – wie ich es tat oder wie ich hörte, daß es zu
geschehen pflegt. Ich beginne jetzt mit dem zweiten Gang absichtlich
langsam, nachdem ich den Burgplatz gesehen habe, habe ich endlose Zeit –
immer innerhalb des Baues habe ich endlose Zeit-, denn alles, was ich dort
tue, ist gut und wichtig und sättigt mich gewissermaßen. Ich beginne mit dem
zweiten Gang und breche die Revision in der Mitte ab und gehe zum dritten
Gang über und lasse mich von ihm zum Burgplatz zurückzuführen und muß
nun allerdings wieder den zweiten Gang von neuem vornehmen und spiele so
mit der Arbeit und vermehre sie und lache vor mich hin und freue mich und
werde ganz wirr von der vielen Arbeit, aber lasse nicht von ihr ab.
Euretwegen, ihr Gänge und Plätze und deine Fragen vor allem, Burgplatz, bin
ich ja gekommen, habe mein Leben für nichts geachtet, nachdem ich lange
Zeit die Dummheit hatte, seinetwegen zu zittern und die Rückkehr zu euch zu
verzögern. Was kümmert mich die Gefahr jetzt, da ich bei euch bin. Ihr gehört
zu mir, ich zu euch, verbunden sind wir, was kann uns geschehen. Mag sich
oben auch das Volk schon drängen und die Schnauze bereit sein, die das
Moos durchstoßen wird. Und mit seiner Stummheit und Leere begrüßt nun
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik