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verschwinden, und, abgesehen davon, oft bringt ein Zufall leicht auf die Spur
der Störung, während systematisches Suchen lange versagen kann. So tröste
ich mich und wollte lieber weiter durch die Gänge schweifen und die Plätze
besuchen, von denen ich noch viele nicht einmal wiedergesehen habe und
dazwischen immer ein wenig mich auf dem Burgplatz tummeln, aber es läßt
mich doch nicht, ich muß weiter suchen. Viel Zeit, viel Zeit, die besser
verwendet werden könnte, kostet mich das kleine Volk. Bei solchen
Gelegenheiten ist es gewöhnlich das technische Problem, das mich lockt, ich
stelle mir zum Beispiel nach dem Geräusch, das mein Ohr in allen seinen
Feinheiten zu unterscheiden die Eignung hat, ganz genau aufzeichenbar, die
Veranlassung vor, und nun drängt es mich nachzuprüfen, ob die Wirklichkeit
dem entspricht. Mit gutem Grund, denn solange hier eine Feststellung nicht
erfolgt ist, kann ich mich auch nicht sicher fühlen, selbst wenn es sich nur
darum handeln würde, zu wissen, wohin ein Sandkorn, das eine Wand
herabfällt, rollen wird. Und gar ein solches Geräusch, das ist in dieser
Hinsicht eine gar nicht unwichtige Angelegenheit. Aber wichtig oder
unwichtig, wie sehr ich auch suche, ich finde nichts, oder vielmehr ich finde
zuviel. Gerade auf meinem Lieblingsplatz mußte dies geschehen, denke ich,
gehe recht weit von dort weg, fast in die Mitte des Weges zum nächsten Platz,
das ganze ist eigentlich ein Scherz, so als wollte ich beweisen, daß nicht etwa
gerade mein Lieblingsplatz allein mir diese Störung bereitet hat, sondern daß
es Störungen auch anderwärts gibt, und ich fange lächelnd an zu horchen,
höre aber bald zu lächeln auf, denn wahrhaftig, das gleiche Zischen gibt es
auch hier. Es ist ja nichts, manchmal glaube ich, niemand außer mir würde es
hören, ich höre es freilich jetzt mit dem durch die Übung geschärften Ohr
immer deutlicher, obwohl es in Wirklichkeit überall ganz genau das gleiche
Geräusch ist, wie ich mich durch Vergleichen überzeugen kann. Es wird auch
nicht stärker, wie ich erkenne, wenn ich, ohne direkt an der Wand zu horchen,
mitten im Gang lausche. Dann kann ich überhaupt nur mit Anstrengung, ja
mit Versenkung hie und da den Hauch eines Lautes mehr erraten als hören.
Aber gerade dieses Gleichbleiben an allen Orten stört mich am meisten, denn
es läßt sich mit meiner ursprünglichen Annahme nicht in Übereinstimmung
bringen. Hätte ich den Grund des Geräusches richtig erraten, hätte es in
größter Stärke von einem bestimmten Ort, der eben zu finden gewesen wäre,
ausstrahlen und dann immer kleiner werden müssen. Wenn aber meine
Erklärung nicht zutraf, was war es sonst? Es bestand doch die Möglichkeit,
daß es zwei Geräuschzentren gab, daß ich bis jetzt nur weit von den Zentren
gehorcht hatte und daß, wenn ich mich dem einen Zentrum näherte, zwar
seine Geräusche zunahmen, aber infolge Abnehmens der Geräusche des
anderen Zentrums das Gesamtergebnis für das Ohr immer ein annähernd
gleiches blieb. Fast glaubte ich schon, wenn ich genau hinhorchte,
Klangunterschiede, die der neuen Annahme entsprachen, wenn auch nur sehr
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik