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haben Sie recht, Herr K. Vielleicht sogar in diesem Fall. Ich will Fräulein
Bürstner gewiß nicht verleumden, sie ist ein gutes, liebes Mädchen,
freundlich, ordentlich, pünktlich, arbeitsam, ich schätze das alles sehr, aber
eines ist wahr, sie sollte stolzer, zurückhaltender sein. Ich habe sie in diesem
Monat schon zweimal in entlegenen Straßen und immer mit einem andern
Herrn gesehen. Es ist mir sehr peinlich, ich erzähle es, beim wahrhaftigen
Gott, nur ihnen, Herr K., aber es wird sich nicht vermeiden lassen, daß ich
auch mit dem Fräulein selbst darüber spreche. Es ist übrigens nicht das
Einzige, das sie mir verdächtig macht.« »Sie sind auf ganz falschem Weg«,
sagte K. wütend und fast unfähig, es zu verbergen, »übrigens haben Sie
offenbar auch meine Bemerkung über das Fräulein mißverstanden, so war es
nicht gemeint. Ich warne Sie sogar aufrichtig, dem Fräulein irgend etwas zu
sagen, Sie sind durchaus im Irrtum, ich kenne das Fräulein sehr gut, es ist
nichts davon wahr, was Sie sagten. Übrigens, vielleicht gehe ich zu weit, ich
will Sie nicht hindern, sagen Sie ihr, was Sie wollen. Gute Nacht.« »Herr K.«,
sagte Frau Grubach bittend und eilte K. bis zu seiner Tür nach, die er schon
geöffnet hatte, »ich will ja noch gar nicht mit dem Fräulein reden, natürlich
will ich sie vorher noch weiter beobachten, nur Ihnen habe ich anvertraut, was
ich wußte. Schließlich muß es doch im Sinne jedes Mieters sein, wenn man
die Pension rein zu erhalten sucht, und nichts anderes ist mein Bestreben
dabei.« »Die Reinheit!« rief K. noch durch die Spalte der Tür, »wenn Sie die
Pension rein erhalten wollen, müssen Sie zuerst mir kündigen.« Dann schlug
er die Tür zu, ein leises Klopfen beachtete er nicht mehr.
Dagegen beschloß er, da er gar keine Lust zum Schlafen hatte, noch
wachzubleiben und bei dieser Gelegenheit auch festzustellen, wann Fräulein
Bürstner kommen würde. Vielleicht wäre es dann auch möglich, so unpassend
es sein mochte, noch ein paar Worte mit ihr zu reden. Als er im Fenster lag
und die müden Augen drückte, dachte er einen Augenblick sogar daran, Frau
Grubach zu bestrafen und Fräulein Bürstner zu überreden, gemeinsam mit
ihm zu kündigen. Sofort aber erschien ihm das entsetzlich übertrieben, und er
hatte sogar den Verdacht gegen sich, daß er darauf ausging, die Wohnung
wegen der Vorfälle am Morgen zu wechseln. Nichts wäre unsinniger und vor
allem zweckloser und verächtlicher gewesen.
Als er des Hinausschauens auf die leere Straße überdrüssig geworden war,
legte er sich auf das Kanapee, nachdem er die Tür zum Vorzimmer ein wenig
geöffnet hatte, um jeden, der die Wohnung betrat, gleich vom Kanapee aus
sehen zu können. Etwa bis elf Uhr lag er ruhig, eine Zigarre rauchend, auf
dem Kanapee. Von da ab hielt er es aber nicht mehr dort aus, sondern ging ein
wenig ins Vorzimmer, als könne er dadurch die Ankunft des Fräulein Bürstner
beschleunigen. Er hatte kein besonderes Verlangen nach ihr, er konnte sich
nicht einmal genau erinnern, wie sie aussah, aber nun wollte er mit ihr reden
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Der Prozeß
- Titel
- Der Prozeß
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155