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Das Gericht hat eine eigentümliche Anziehungskraft, nicht? Aber ich werde
in dieser Richtung meine Kenntnisse sicher vervollständigen, denn ich trete
nächsten Monat als Kanzleikraft in ein Advokatenbüro ein.« »Das ist sehr
gut«, sagte K., »Sie werden mir dann in meinem Prozeß ein wenig helfen
können.« »Das könnte sein«, sagte Fräulein Bürstner, »warum denn nicht? Ich
verwende gern meine Kenntnisse.« »Ich meine es auch im Ernst«, sagte K.,
»oder zumindest in dem halben Ernst, in dem Sie es meinen. Um einen
Advokaten heranzuziehen, dazu ist die Sache doch zu kleinlich, aber einen
Ratgeber könnte ich gut brauchen.« »Ja, aber wenn ich Ratgeber sein soll,
müßte ich wissen, worum es sich handelt«, sagte Fräulein Bürstner. »Das ist
eben der Haken«, sagte K., »das weiß ich selbst nicht.« »Dann haben Sie sich
also einen Spaß aus mir gemacht«, sagte Fräulein Bürstner übermäßig
enttäuscht, »es war höchst unnötig, sich diese späte Nachtzeit dazu
auszusuchen.« Und sie ging von den Photographien weg, wo sie so lange
vereinigt gestanden hatten. »Aber nein, Fräulein«, sagte K., »ich mache
keinen Spaß. Daß Sie mir nicht glauben wollen! Was ich weiß, habe ich Ihnen
schon gesagt. Sogar mehr als ich weiß, denn es war gar keine
Untersuchungskommission, ich nenne es so, weil ich keinen andern Namen
dafür weiß. Es wurde gar nichts untersucht, ich wurde nur verhaftet, aber von
einer Kommission.« Fräulein Bürstner saß auf der Ottomane und lachte
wieder. »Wie war es denn?« fragte sie. »Schrecklich«, sagte K., aber er dachte
jetzt gar nicht daran, sondern war ganz vom Anblick des Fräulein Bürstner
ergriffen, die das Gesicht auf eine Hand stützte - der Ellbogen ruhte auf dem
Kissen der Ottomane - während die andere Hand langsam die Hüfte strich.
»Das ist zu allgemein«, sagte Fräulein Bürstner. »Was ist zu allgemein?«
fragte K. Dann erinnerte er sich und fragte: »Soll ich Ihnen zeigen, wie es
gewesen ist?« Er wollte Bewegung machen und doch nicht weggehen. »Ich
bin schon müde«, sagte Fräulein Bürstner. »Sie kamen so spät«, sagte K.
»Nun endet es damit, daß ich Vorwürfe bekomme, es ist auch berechtigt, denn
ich hätte Sie nicht mehr hereinlassen sollen. Notwendig war es ja auch nicht,
wie es sich gezeigt hat.« »Es war notwendig, das werden Sie erst jetzt sehn«,
sagte K. »Darf ich das Nachttischchen von Ihrem Bett herrücken?« »Was fällt
ihnen ein?« sagte Fräulein Bürstner, »das dürfen Sie natürlich nicht!« »Dann
kann ich es Ihnen nicht zeigen«, sagte K. aufgeregt, als füge man ihm dadurch
einen unermeßlichen Schaden zu. »Ja, wenn Sie es zur Darstellung brauchen,
dann rücken Sie das Tischchen nur ruhig fort«, sagte Fräulein Bürstner und
fügte nach einem Weilchen mit schwächerer Stimme hinzu: »Ich bin so müde,
daß ich mehr erlaube, als gut ist.« K. stellte das Tischchen in die Mitte des
Zimmers und setzte sich dahinter. »Sie müssen sich die Verteilung der
Personen richtig vorstellen, es ist sehr interessant. Ich bin der Aufseher, dort
auf dem Koffer sitzen zwei Wächter, bei den Photographien stehen drei junge
Leute. An der Fensterklinke hängt, was ich nur nebenbei erwähne, eine weiße
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Buch Der Prozeß"
Der Prozeß
- Titel
- Der Prozeß
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155