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zusammenfiel. Trotz diesen Zweifeln bezwang sich aber K. und unterbrach
den Maler nicht. Verzichten wollte er auf die Hilfe des Malers nicht, dazu war
er entschlossen, auch schien ihm diese Hilfe durchaus nicht fragwürdiger als
die des Advokaten zu sein. K. zog sie jener sogar bei weitem vor, weil sie
harmloser und offener dargeboten wurde.
Der Maler hatte seinen Sessel näher zum Bett gezogen und fuhr mit
gedämpfter Stimme fort: »Ich habe vergessen, Sie zunächst zu fragen, welche
Art der Befreiung Sie wünschen. Es gibt drei Möglichkeiten, nämlich die
wirkliche Freisprechung, die scheinbare Freisprechung und die
Verschleppung. Die wirkliche Freisprechung ist natürlich das Beste, nur habe
ich nicht den geringsten Einfluß auf diese Art der Lösung. Es gibt meiner
Meinung nach überhaupt keine einzelne Person, die auf die wirkliche
Freisprechung Einfluß hätte. Hier entscheidet wahrscheinlich nur die
Unschuld des Angeklagten. Da Sie unschuldig sind, wäre es wirklich
möglich, daß Sie sich allein auf Ihre Unschuld verlassen. Dann brauchen Sie
aber weder mich noch irgendeine andere Hilfe.«
Diese geordnete Darstellung verblüffte K. anfangs, dann aber sagte er
ebenso leise wie der Maler: »Ich glaube, Sie widersprechen sich.« »Wie
denn?« fragte der Maler geduldig und lehnte sich lächelnd zurück. Dieses
Lächeln erweckte in K. das Gefühl, als ob er jetzt daran gehe, nicht in den
Worten des Malers, sondern in dem Gerichtsverfahren selbst Widersprüche zu
entdecken. Trotzdem wich er aber nicht zurück und sagte: »Sie haben früher
die Bemerkung gemacht, daß das Gericht für Beweisgründe unzugänglich ist,
später haben Sie dies auf das öffentliche Gericht eingeschränkt, und jetzt
sagen Sie sogar, daß der Unschuldige vor dem Gericht keine Hilfe braucht.
Darin liegt schon ein Widerspruch. Außerdem aber haben Sie früher gesagt,
daß man die Richter persönlich beeinflussen kann, stellen aber jetzt in
Abrede, daß die wirkliche Freisprechung, wie Sie sie nennen, jemals durch
persönliche Beeinflussung zu erreichen ist. Darin liegt der zweite
Widerspruch.« »Diese Widersprüche sind leicht aufzuklären«, sagte der
Maler. »Es ist hier von zwei verschiedenen Dingen die Rede, von dem, was
im Gesetz steht, und von dem, was ich persönlich erfahren habe, das dürfen
Sie nicht verwechseln. Im Gesetz, ich habe es allerdings nicht gelesen, steht
natürlich einerseits, daß der Unschuldige freigesprochen wird, andererseits
steht dort aber nicht, daß die Richter beeinflußt werden können. Nun habe
aber ich gerade das Gegenteil dessen erfahren. Ich weiß von keiner wirklichen
Freisprechung, wohl aber von vielen Beeinflussungen. Es ist natürlich
möglich, daß in allen mir bekannten Fällen keine Unschuld vorhanden war.
Aber ist das nicht unwahrscheinlich? In so vielen Fällen keine einzige
Unschuld? Schon als Kind hörte ich dem Vater genau zu, wenn er zu Hause
von Prozessen erzählte, auch die Richter, die in sein Atelier kamen, erzählten
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Buch Der Prozeß"
Der Prozeß
- Titel
- Der Prozeß
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155