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ließ? Und wie wagte er es, K. anzugreifen, da dieser doch gleich sein
Geheimnis verraten konnte? Aber er wagte noch mehr, er ging zum Bett des
Advokaten und begann, sich nun auch dort über K. zu beschweren: »Herr
Advokat«, sagte er, »habt Ihr gehört, wie dieser Mann mit mir gesprochen
hat? Man kann noch die Stunden seines Prozesses zählen, und schon will er
mir, einem Mann, der fünf Jahre im Prozesse steht, gute Lehren geben. Er
beschimpft mich sogar. Weiß nichts und beschimpft mich, der ich, soweit
meine schwachen Kräfte reichen, genau studiert habe, was Anstand, Pflicht
und Gerichtsgebrauch verlangt.« »Kümmere dich um niemanden«, sagte der
Advokat, »und tue, was dir richtig scheint.« »Gewiß«, sagte Block, als
spreche er sich selbst Mut zu, und kniete unter einem kurzen Seitenblick nun
knapp beim Bett nieder. »Ich knie schon, mein Advokat«, sagte er. Der
Advokat schwieg aber. Block streichelte mit einer Hand vorsichtig das
Federbett. In der Stille, die jetzt herrschte, sagte Leni, indem sie sich von K.s
Händen befreite: »Du machst mir Schmerzen. Laß mich. Ich gehe zu Block.«
Sie ging hin und setzte sich auf den Bettrand. Block war über ihr Kommen
sehr erfreut, er bat sie gleich durch lebhafte, aber stumme Zeichen, sich beim
Advokaten für ihn einzusetzen. Er benötigte offenbar die Mitteilungen des
Advokaten sehr dringend, aber vielleicht nur zu dem Zweck, um sie durch
seine übrigen Advokaten ausnutzen zu lassen. Leni wußte wahrscheinlich
genau, wie man dem Advokaten beikommen könne, sie zeigte auf die Hand
des Advokaten und spitzte die Lippen wie zum Kuß. Gleich führte Block den
Handkuß aus und wiederholte ihn, auf eine Aufforderung Lenis hin, noch
zweimal. Aber der Advokat schwieg noch immer. Da beugte sich Leni über
den Advokaten hin, der schöne Wuchs ihres Körpers wurde sichtbar, als sie
sich so streckte, und strich, tief zu seinem Gesicht geneigt, über sein langes,
weißes Haar. Das zwang ihm nun doch eine Antwort ab. »Ich zögere, es ihm
mitzuteilen«, sagte der Advokat, und man sah, wie er den Kopf ein wenig
schüttelte, vielleicht, um des Druckes von Lenis Hand mehr teilhaftig zu
werden. Block horchte mit gesenktem Kopf, als übertrete er durch dieses
Horchen ein Gebot. »Warum zögerst du denn?« fragte Leni. K. hatte das
Gefühl, als höre er ein einstudiertes Gespräch, das sich schon oft wiederholt
hatte, das sich noch oft wiederholen würde und das nur für Block seine
Neuheit nicht verlieren konnte. »Wie hat er sich heute verhalten?« fragte der
Advokat, statt zu antworten. Ehe sich Leni darüber äußerte, sah sie zu Block
hinunter und beobachtete ein Weilchen, wie er die Hände ihr entgegenhob und
bittend aneinander rieb. Schließlich nickte sie ernst, wandte sich zum
Advokaten und sagte: »Er war ruhig und fleißig.« Ein alter Kaufmann, ein
Mann mit langem Bart, flehte ein junges Mädchen um ein günstiges Zeugnis
an. Mochte er dabei auch Hintergedanken haben, nichts konnte ihn in den
Augen eines Mitmenschen rechtfertigen. K. begriff nicht, wie der Advokat
daran hatte denken können, durch diese Vorführung ihn zu gewinnen. Hätte er
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Buch Der Prozeß"
Der Prozeß
- Titel
- Der Prozeß
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155