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wieder beginnen will? Ich will nicht, daß man das sagt. Ich bin dafür dankbar,
daß man mir auf diesem Weg diese halbstummen, verständnislosen Herren
mitgegeben hat und daß man es mir überlassen hat, mir selbst das Notwendige
zu sagen.«
Das Fräulein war inzwischen in eine Seitengasse eingebogen, aber K.
konnte sie schon entbehren und überließ sich seinen Begleitern. Alle drei
zogen nun in vollem Einverständnis über eine Brücke im Mondschein, jeder
kleinen Bewegung, die K. machte, gaben die Herren jetzt bereitwillig nach,
als er ein wenig zum Geländer sich wendete, drehten auch sie sich in ganzer
Front dorthin. Das im Mondlicht glänzende und zitternde Wasser teilte sich
um eine kleine Insel, auf der, wie zusammengedrängt, Laubmassen von
Bäumen und Sträuchern sich aufhäuften. Unter ihnen, jetzt unsichtbar, führten
Kieswege mit bequemen Bänken, auf denen K. in manchem Sommer sich
gestreckt und gedehnt hatte. »Ich wollte ja gar nicht stehenbleiben«, sagte er
zu seinen Begleitern, beschämt durch ihre Bereitwilligkeit. Der eine schien
dem anderen hinter K.s Rücken einen sanften Vorwurf wegen des
mißverständlichen Stehenbleibens zu machen, dann gingen sie weiter.
Sie kamen durch einige ansteigende Gassen, in denen hie und da Polizisten
standen oder gingen; bald in der Ferne, bald in nächster Nähe. Einer mit
buschigem Schnurrbart, die Hand am Griff des Säbels, trat wie mit Absicht
nahe an die nicht ganz unverdächtige Gruppe. Die Herren stockten, der
Polizeimann schien schon den Mund zu öffnen, da zog K. mit Macht die
Herren vorwärts. Öfters drehte er sich vorsichtig um, ob der Polizeimann
nicht folge; als sie aber eine Ecke zwischen sich und dem Polizeimann hatten,
fing K. zu laufen an, die Herren mußten trotz großer Atemnot auch mit
laufen.
So kamen sie rasch aus der Stadt hinaus, die sich in dieser Richtung fast
ohne Übergang an die Felder anschloß. Ein kleiner Steinbruch, verlassen und
öde, lag in der Nähe eines noch ganz städtischen Hauses. Hier machten die
Herren halt, sei es, daß dieser Ort von allem Anfang an ihr Ziel gewesen war,
sei es, daß sie zu erschöpft waren, um noch weiter zu laufen. Jetzt ließen sie
K. los, der stumm wartete, nahmen die Zylinderhüte ab und wischten sich,
während sie sich im Steinbruch umsahen, mit den Taschentüchern den
Schweiß von der Stirn. Überall lag der Mondschein mit seiner Natürlichkeit
und Ruhe, die keinem anderen Licht gegeben ist.
Nach Austausch einiger Höflichkeiten hinsichtlich dessen, wer die nächsten
Aufgaben auszuführen habe - die Herren schienen die Aufträge ungeteilt
bekommen zu haben -, ging der eine zu K. und zog ihm den Rock, die Weste
und schließlich das Hemd aus. K. fröstelte unwillkürlich, worauf ihm der Herr
einen leichten, beruhigenden Schlag auf den Rücken gab. Dann legte er die
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Buch Der Prozeß"
Der Prozeß
- Titel
- Der Prozeß
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155