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76 GLAUBE UND ABERGLAUBE
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Chorauskehrnundleichterbutzen,
Scheiter tragn,undsindslaschaun,
Kutten,Kragen,undKaputzen
Wirddir schmekenwieAlaun
Nähndicheinalswieein todten
darfstgarnichtmehrausagehn,
MußtofftEssenaufdemBoden,
undalswieeinNarrdastehn. 4
Abernableibdrinnbeynpfaffen,
dennichmoasnugrad imSpoas,
desswegnkannstunsdochangaffen
Vetterlwünschdirglückaufd'Roas.
Thugott rechtvonherzen lieben,
SeineMutter seydeinBrauth,
Wansdichdochbisweilnbetrüben,
FrissvonderGedultdasKraut.
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VetterlbhütdichGott,undbleibe
StetsmitdiesemStandvergnügt,
HaltsBreviervorsrechteWeibe
BisdeinSeel inHimmel ügt,
BhütdiGott jezkomtmirSRozen
Esverspringtmirschierdasherz
Vor liebmacht idi jetz fotzen;
GehdocheswachstnurmeinSchmerz.106
1,1 Vetterl] Diminutiv zu Vetter: männlicher Verwandter 1,7 brandeln] Brändeln: Kartenspiel 1,7 Labetten]
Kartenspiel (von franz. la bête für den Einsatz beim Kartenspiel) 3,1 leichter] Leuchter 3,2 sindsla] schuldbe-
wusst, klagend 3,4 Alaun] Kaliumaluminiumsulfat: Gerbe- und Beizmittel 3,7 offt] dann 4,2 moas] meine es
4,4 Roas]Reise5,5 SRotzen]dasWeinen5,7 fotzen] schlagen,eineOhrfeigegeben
Weitaus deftiger formuliert der Lambacher Benediktiner Maurus Lindemayr (1723
1783) die Bedenken gegen einen Klostereintritt. Zur Zeit der Entstehung des Lieds
(um 1755) war er als Prior seines Klosters zugleich auch Novizenmeister, der die Eig-
nung der Kandidaten zu überprüfen und sie auf die anspruchsvollen Aufgaben vor-
zubereiten hatte. Mit seiner witzigen Weltabsage präsentierte er dem Konvent zur Fa-
schingszeit eine Antithese der erwarteten und eingeforderten Ernsthaftigkeit. Denn
nichtverschmähteLiebe,sondernbewussterVerzichtsolltederEntscheidungzumZöli-
batzugrundeliegen,nichtdiegescheiterteSuchenacheinerFrau,sonderndieaufrichtige
Suche nach Gott. Umso komischer ist es denn auch, wenn sich die drastische Ab-
sichtserklärungdes lächerlichenKandidatenzunehmendals leere, jederzeitrevidierbare
Drohung erweist, sollte das weibliche Geschlecht doch noch Entgegenkommen signali-
sieren.
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LecktsmönArschMenschä! ieztgeh idavon,
ÖsnächstböstöKlastä,das inä triefan;
Iwill eintrettn,ösbrauchtgarnötviel,
WeilmikainainzigiSauhautnötwill.
106 Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung, Mus.Hs. 19029 (Das Unschuldige Vergnügen, Be-
stehend in LX Ausserlesten, Ernst und Schertz Haften, doch Jedesmal Sehr Eingerzogennen Lieder,
gesammelt undt zwahr auff die Harpfen Eingericht undt Mäistens mit Neuen arien versehen, auch zu
größerem Nach-truck mit zwey Violinen versterckhet von F. M. Gölle, der H. Gottes Gelehrtheit undt
geistlichen Rechten Be ißenen, in saltzburg. Ihm Jahre MDCCLXXVII), f. 61v 62v [An einen Candi-
daten]. Abgedruckt in Emil Karl Blümml (Hg.): Die Liederhandschrift des Weingartner Benediktiners P.
MeingosusGaelleausdemJahre1777.AlsBeitragzurGeschichtedesgeistigenundstudentischenLebens
an der Benediktiner Universität Salzburg. Wien: Ludwig 1912. (Quellen und Forschungen zur deutschen
VolkskundeVIII)S.64f.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen