Seite - 116 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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116 KRIEG UND FRIEDEN
Spanien Maximilians Sohn, den 1692 in Wien geborenen bayerischen Kurprinzen Jo-
sephFerdinandLeopold,zumErbenbestimmte.DerunerwarteteToddessechsjährigen
Kaiserenkels, der zur Vorbereitung auf künftige Aufgaben nach Brüssel geholt worden
war, machte im darauffolgenden Jahr mühsam ausverhandelte Verträge zwischen den
Bourbonen und den Habsburgern hinfällig und führte letztendlich zum Krieg um die
spanischeKrone.
Die Todesumstände des Kurprinzen, die nie restlos geklärt werden konnten, gaben
dabei einigen Anlass zu Gerüchten.39 Ein leider nur in einer sehr fehlerhaften späte-
ren Edition, ohne Hinweise auf die Quelle erhaltenes Klagliedl zwayer Bayrischen
Baure[n]` bespricht die brisanten Komplikationen, die sich aus den Ambitionen des
Kurfürsten und dem Tod des Kurprinzen ergaben recht offenmütig. Deutlich wird im
Verlauf des Lieds auch, dass der Autor ein Kaisertreuer war, der das Liebäugeln des
schwer verschuldeten, ambitiösen bayerischen Kurfürsten mit den Franzosen als mas-
sive Gefahr für das Reich sah, die ehestens unterbunden gehörte. Ein gangbarer Weg
war offenbar, den Erbfeind mit diesem Lied anzuschwärzen, indem man ihn des Gift-
mords am Universalerben bezichtigte eine Strategie, die übrigens auch die Gegenseite
nichtohneErfolgverfolgte:
21Stöffel.
Wirdtnit iztderFranzos lachä,
dasverlohrendeschurfürsts sachä,
hi sämtsambtderPaurenschwais,
hettmänodenFürsthirobä,
woltmärentlinogaut lebä,
leithvergösndoSpanischagais. 22 Jodl.
Dössl istägrobäPossän,
fürchtdogaisdohabägstossän
vnsäPrinzl indiegrueb.
DämäseithdoSpanischSuppn
p ägnDiebmitgifft zustuppen,
Schausogehtsmin libäbue.
23Stöffel.
Waises ist schonöfftägschechä,
womäainnitgernthuet sechä,
richtmäsiauf solcheweis,
DöSpanischvnddöFranzösischtropfä,
Döwölschäkhinnäävästopfa,
Denleuthnsmaulmitgifftä speis. 24Jodl.
Schauwassämädofür lappen,
trachtnumbäKönigskappen
mitdemPrinzlaufdenThron.
DänAussländrndannotrauet,
AlsaufwälschFranzosenbauet,
Ihnägibtmädopplät lohn.
25Stöffel.
Sölldän indenBayrisch landän
Khai treia teuschäseinvörhandän,
rehndanwälschd'Franzosenvor.
BayrischgeltdäFürstdo libet,
vnsärspeitlwackerklibet,
wenäBayrnmissnähöbnempor. 26Jodl.
HossofftKhertmei leibanachbä,
Khai landtskindtdemFürstenachtbär,
Dreffänitvill vorseygsicht.
Wennävoimwillwashabn,
muesmänuränwälsche labn,
dasäraimdaswortvorspricht.
39 Vgl. Peter Boruth: Die Krankengeschichte des Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern (1692 1699). Tex-
teditionmitÜbersetzung.München,Diss., 1985.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen