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MEDIALE SCHLACHTEN UND DIE
WAHRHEIT` DER PROPAGANDA 139
unterstreichen, als die Figur des ungarischen Husaren als
österreichischen` Soldaten zu
markieren imGegensatzzudemPreußen,derHochdeutschbzw.auchnorddeutschen
Dialekt verwendet. Im Zentrum steht der Vorwurf an die Preußen, Niederlagen nicht
einzugestehen, sondern sie wie Siege verbreiten zu lassen oder Zeitungsmeldungen zu
fälschen: Gerade im Siebenjährigen Krieg war nicht nur die Frage relevant geworden,
über welche Vorkommnisse berichtet wird und über welche nicht, sondern auch das
Problem, wie der Ausgang einer Schlacht überhaupt zu deuten sei. Feldschlachten wie
etwa die bei Lobositz 1756 ließen durchaus Deutungsspielraum zu, ob die Niederlage`
(derÖsterreicher)nichteheralstaktischerRückzugzuinterpretierenwäreundder Sieg`
aufgrund der hohen Verluste nicht ebenfalls als Niederlage.83 Vor diesem Hintergrund
gesteht der gefangene preußische Soldat im Dialog selbst ein, dass die preußischen Zei-
tungenvorallem Lügenstiften ,woraufhinervomHusarenbegnadigtwird:
Preuss.
[...]
DochweißschonalleWelt,daßunsreZeitungschriften
DiewahreQuellensind,diesolcheLügenstiften:
Sie schildernSiegundGlück in ihremZeitungblat
NacheignemWillenab; [...]
Husar.
DubistnoredliMensch! stehauf!duhabPardon;
WeildusoWahrheit red,drumdiHusarverschon:
Nurmöcht iwünsch,daßi stattdirdasZeitungschreiber,
Dasselbst seinLandsleut fopp,das lügwiealtiWeiber,
InmeiniHändthätkrieg; iwolltmachWahrheit red,
Wonit,gleichSeelausLeibmitmeiniZischmatrett!
Jetzt steck iSabelein! jetzt schenkHusardirLeben!84
10 Zischma] (ungar. csizma)Halbstiefel
DasgängigstedialektalästhetischeSchema,mitdemdasnatürlicheInformationsbedürf-
nis der Staatsbürger bedient wird, ist die inszenierte Form des mündlichen Berichts:
etwadurcheinenof ziellenBoten,häu gernochdurcheinen
einfachenMann`,deraus
einem urbanen Zentrum als Nachrichtenumschlagsplatz die Neuigkeiten mitbringt, die
er dort aus direkter Quelle` erhalten habe. Die verschiedenen Möglichkeiten der Über-
mittlungwerdendabeiexplizitangesprochen, insbesonderegedruckte Relationen und
Zeitungen
. Rezeptionsform ist dabei in der Regel das Lesen Hören`, wie etwa die ein-
leitendeStrophe indiesemLieddeutlichmacht:
83 Vgl. Schort, Politik und Propaganda, S.412ff. Bernhard Jahn: Die Medialität des Krieges. Zum Problem
der Darstellbarkeit von Schlachten am Beispiel der Schlacht von Lobositz (1.10.1756) im Siebenjähri-
gen Krieg. In: Wolfgang Adam/Holger Dainat (Hg.): Krieg ist mein Lied . Der Siebenjährige Krieg in
den zeitgenössischen Medien. Hg. in Verbindung mit Ute Pott. Göttingen: Wallstein 2007. (Schriften des
GleimhausesHalberstadt5)S.88 110.
84 DergroßmüthigeHusar,undderbesiegtePreußischeDragoner,einepoetischeUnterredung.WIENN,Ge-
druckt und zu nden bey Joseph Kurtzböck, Univ. Buchdr. in der Bognergasse im Hofglaserischen Hause.
1760, f. 4r 4v.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen