Seite - 150 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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150 KRIEG UND FRIEDEN
seiner mickrigen Bezahlung, den harten Diensten und nicht weniger harten Bestrafun-
genbeiFehlverhaltenbehagt ihmnicht;alsersichmitDiebstähleneinZubrotverdienen
will, wird er gefasst und in den Kerker geworfen. Wäre da nicht der Bauer Mopsus, der
unbedingt die Ehre seiner Tochter retten möchte, hätte Florian wohl den Strang zu er-
warten:
Florian. Es vergeht ain der lust zum Soldaten leben? wan einer ein gspert ist, vndt hat nichts
zfressen?Ichhabzwardraustauchwenigghabt,aberdagarnichts,vndMuesmirnochförch-
ten,obmanmichnithenckht?dochwäresschierbessergschwindtaufknipfft,alßdaßeinerso
lang mues eingsperter Hunger leiden. An den ding allen ist Kein andrer Mensch schuldig, alß
der Mops mein gwester herr, Ich wär mein lebtag Kein Soldat worden, wan Er mir sein Grethl
glassenhett,öderbernheitter?aberIchhabnschonpräffzalt, seinTochterwirdtbaldtgrosser
werden,alßgwest ist, JaKombtderalteMaußKopff.
Mopsus. Mueß man dich da nden du Erbarer Gsell? das ist wohlgar ä rechts hauß r solche
Vögel.
Florian. Waßhabt Ihrdarnachzufragen?
Mopsus. Dusolstwohl sobaldtnit raußKhommen,warthnur.
Florian. Vnndtwarumbdan?
Mopsus. DuSchelmwaßhastdumirdörffenmeinTochterschenden?
Florian. Daßisterlogen,vnndtwär ichdraust, Ichwoltdirwaßanderst sagen.
Mopsus. WaßwilldußLaugnen?hatsnit schonbekhentaufdich?
Florian. Aufmich?Ödiehure, istdanschwanger?
Mopsus. Ey so frag du galgen Vogel? du wirst es ehe wol wisßen, vnd sag nur gschwindt ob dus
nemmenwilst,oder IchgehegleichzudeinenHaubtman,derwirddichgwißZwiffeln?
Florian. Sagwaßduwilt Ichglaubsnitdaßschwangersey,bißdaßIchssieh.
Mopsus. Worth Ich will dirs gleich vnders gsicht stellen, sie wird dirs sagen, wanß gschehen ist,
vnndtmeinNachbahrenwill Ichmitnemmen,daßErKanZeignußgeben.
Florian. Daß ist frössen r mich, ach wan ich halt mit dem handl Kunt Ledig werden auß den
Kerckher vnndt von Soldaten leben: Es mueß gehen, oder es mues brechen, der Nar wirt iezt
hingehen zum Haubtman, wird mich verklagen, der haubtman wird mir auflegen ich solls
nemmen, so will Ich ihm aber gleich sagen, nein ich nimbs nit, wan Er mich nit lossmacht
vonSoldatenleben:vndsoltmanmichauchdriberhenckhen,wanichsniteheverschuldthab:
vnndt recht: solt ich erst noch darzue weib, vnndt Kindt mit ein ander nemben, vnndt solt ein
Soldat bleiben, wo miest ich ihnen zfressen schaffen, Hab ich doch allein nit gnueg, Ich mues
Ja dreymahl mehr stellen alß vor? vnndt wär mir der galgen gwiß, wan Ichs dan gwiß weiß,
waß will ih mich mit den weib erst schleppen, henckht man mich, so bin ich Todt, ich mues
doch einmahl sterben. Wan er mich aber außkhaufft, so wil ichs nemmen: vnndt es Kan gar
leicht sein,danvnßerHaubtmanistgarGeldtHungerig.109
bernheitter]Bärenhäuter:SchimpfwortmitunsichereretymologischerDeutung Zwiffeln]quälen,bestrafen
Florians Kalkül ist erfolgreich; tatsächlich lässt ihn der korrupte Hauptmann für 15
Gulden laufen ein wohl nicht allzu unrealistischer Einblick in die damaligen Gep o-
genheiten. Bildmächtig ist die amüsante Klag der soldaten für vier Singstimmen und
Cembalo des Doppeltalents Johann Beer (1655 1700), die der gebürtige Oberösterrei-
cher und protestantische Exulant zwar nicht dezidiert dialektal schrieb, die aber in der
109 Österreichische Nationalbibliothek, Cod.10160 Han., f. 101v 102v. Erstediert ist das Intermedium (des-
sendialektaleTeileunterschiedlichstarkmarkiertsind) inChristianNeuhuber:yglabes trambtmie.Dia-
lektaleRedeinWienerStückendesWander-,Ordens-undHoftheaters1665/66. In:ChristianNeuhuber/
Elisabeth Zehetner (Hg.): Bairisch-österreichischer Dialekt in Literatur und Musik 1650 1900. Tagungs-
band.Graz:Leykam/Universitätsverl. 2015,S.61 116.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen