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SOLDATENWERBUNG, ZWANGSREKRUTIERUNG UND KRIEGSLEID 151
Reimbildung (so etwa
Wer da auf miserio ) und Schreibung eine dialektnahe Reali-
sierungnahelegt,wieder folgendeAusschnitt zeigensoll:
SobaldwürschwörenzuderFahn,
so ehrtmanvnßhinaufdenPlan,
dortwirdtmanlinkhsnunexerciert,
VndvnßderPugelabgeschmiert.
Villbösser ists, i[ch]bleibzuhauß,
alsdaßichzüehins feldhinauß
womansich invill lasternwölzt,
vnd lautermiserereschmöltzt
[...]
wobleibtdanunserMonathsoldt
Commissbrodtkriegenwürvorgoldt.
das ist zerfrösßenvondermauß,
manbeist sich fastdieZähndranauß. nachvnßverlasßneMusquetier,
dandieß ist ihrealteweiß,
sienehmensgeldtundwürdie leiß.
[...]
imfeldtmußvnser labsall sein
einsüesßersafthaißtgänßewein,
dasKleidt istauchsofeinvndnett,
wie [we]nßeinwolff zerrisßenhett.
anstattdesschnubtuechswischenwür
dieNaßeandaspartelier,
vndwerkeinparteliernichthat,
derbrauchtdarzueeinKartenblath.110
2Plan]ebeneFläche,Exerzierplatz4Pugel]Rücken8miserere](lat.erbarmedich)Elend10Commissbrodt]
haltbaresSoldatenbrot16 leiß]Läuse18gänßewein] spöttischfürWasser21partelier]BortenbesatzderUni-
form(?)
DasThemaderunfreiwilligenWerbungzähltauchindenfolgendenJahrzehntenzuden
beliebtesten Handlungsentwürfen in Bühnenwerken mit dialektalen Figuren, vor allem
im Ordenstheater. Schon der spätere Abt von Michelfeld in der Oberpfalz, Wolfgang
Rinswerger (1658 1721), verwertet das Motiv in Potinus (um 1697), einer seiner häu g
mit dialektalen Sequenzen versehenen lateinischen Schulkomödien, die er als Rheto-
rikprofessor und Pater comicus für das Salzburger Universitätstheater verfasste. Dem
versoffenenTitelheldenwirdimerstenAktvonseinerFamilieundStudentenvorgegau-
kelt,erhabesichimRauschanwerbenlassenundmüssenuneinLebenalsSoldatfristen.
Eine ganz ähnliche Intrige nden wir auch in Matthias Preggs (1730 1775) zweiakti-
gemZwischenspielTrinkgern(1760),dasdurchdenSalzburgerHofkapellmeisterJohann
Ernst Eberlin (1702 1762) vertont wurde.111 Mit viel Humor lässt der Kremsmünsterer
Kapitular, in diesen Jahren auch Pater comicus der Klosterbühne, seinen Protagonisten
Todesängsteausstehen,alserverkaterterwachtundderStudentGscheideinenbrutalen
Werbeof ziermimt:
Trinkgern. Wassaustäso?wobin ido?däKopf ist zimmlichschwär,
wassaustäso?wobin ido?wie istmänötsorär?
Gscheid. StehtaufCanaille! stehauf,waszauderstdu!vndleistedengehorsamb
Trinkgern. Dasgehtmägarnötzamb.
Gscheid. wie? hast du nicht zum Fahn geschworn? vnd noch dazu das Handgeld von mir selbst
bekommen?
Trinkgern. KainKreuzänöt.
Gscheid. Gehts, suchtsdieSäckeauß.
Trinkgern. und sollts än hällä nd'n (i hab ja göstern alls vätrunkä) so laß ich mi lebendi
schind'n.112
110 StiftsarchivLambach(Abschriftvon1706,zurzeitnurinKopievorliegend,Originalverschollen).Fürden
Hinweis seiPeterDeinhammerherzlichgedankt.
111 Vgl. Johann Ernst Eberlin: Der Trinkgern, ein Zwischenspiel in zwei Aufzügen. Hg. von Werner Rainer.
Wien:Doblinger2002.
112 MusikarchivKremsmünsterA-KR/G14/38,StimmauszugTrinkgern, f. 1r., StimmauszugGscheid, f. 1r.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen