Seite - 448 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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448 BRAUCHTUM UND GESELLIGKEIT
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Als ein Mutter hörte, wie der Präceptor ihrem Sohn einen wohlverdienten Schilling gab, lief sie
mit feimendem Maul voll des Zorns hinzu und sprach: Hui, Trescher!, wie gibts Treschen aus?
Antwort:Frau,garschlecht, lauterStroh, lauterStroh,keinTraid!
Ja,wohlzuviel] (ironischeVerneinung)keineRedevonzuvielPräceptor]SchulmeisterSchilling] (hier)Prü-
gel feimendem] schäumendem Traid]Getreide
Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass zumindest die direkten Reden im
Vortrag wesentlich mundartlicher klangen. Konserviert wurde die mündlichkeitsnahe
Vortragsdimensionsolcher JuxeamehestennochinderVerbindungmitMusik.
Trink-undGesellschaftslieder
Wie nahe so mancher Trinkliedtext am authentischen Ausdruck blieb, illustriert eine
Anekdote, die der spätere Hofkapellmeister Joseph Eybler (1765 1846) auf die letzte
Notenzeile seiner heute vielleicht populärsten Komposition notierte: Als Michael
Haydn und ich an einem heissen Sommerabend spatziren giengen, hörten wir beym
rothen Turm von einem betrunkenen Bauer gegenwärtiges Liedchen singen, worauf er
mich einen Canon zu machen animirte; dieß die Veranlassung dazu. 79 Das künstleri-
sche Ergebnis dieses Vorsatzes von 1798 war ein 6-stimmiges Musikstück auf die wenig
tiefsinnigenWorte:
WanniaRäuscherlhab, istmasauwohl,
wanniaRäuscherlhab istmasauwohl,
Eywie istmirsauwohlwanniaRäuscherlhab,
sauwohl, sauwohl,
Dudldudldudldu,dudldu,dudldudldudldu,dudldu,
wanniaRäuscherlhab, istmasauwohl.80
NatürlichisthiereingewisserGradderStilisierunginRechnungzustellen, schonallein
durch die topische Figur des betrunkenen Bauern`; zudem waren Eybler und Michael
Haydnselbst für ihreTrinkfreudigkeitbekannt.Dochkannwohlangenommenwerden,
dasstatsächlichzahlreicheähnlichsimpleTrinkliedchenimVolksgesangkursierten.Le-
diglich den Text von mehreren volkstümlichen Trinkliedern überliefert uns Zaupser in
seinemWörterbuch:
XIV
Trinklied.
OduliebaGerstensaft,
GibstmeingliedernsovielKraft!
Fall i s'Tagswohlneunmalnieda:
Stehollemalauf,undsaufgleiwieda. XV
NocheinTrinklied.
JetzthobinodreyKreuza,ghörnmeinund
dein,
DrahdiWaberl,drahdi,versuffamüeßens
seyn!
79 ÖsterreichischeNationalbibliothek,Musiksammlung,Mus.Hs.16599, f. 2v.
80 Ebda.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen