Seite - 465 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Bild der Seite - 465 -
Text der Seite - 465 -
FREIZEITDICHTUNG 465
Rexmaul. AnEimerWein,
AfoastiSchwein,
Dabeywöllnmirbrav lustig seyn.124
in] den i hon] ich habe ring] leicht, gering ling] liegen Höbts ma koani Handl o] fangt keine Streitereien an
schlakrawald](Fluchwort)Verballhornungvon Sakrament`wöngmeina]meinetwegenÖswerds] ihrwerdet
Hakabraden] Hackbraten (?) unkeit] ungeschoren, in Frieden statt] ruhig, still Blattn] Glatze legst uns ein]
zahlstduuns
Die holprigen, in ihrer Formelhaftigkeit archaisch anmutenden Knittelverse verweisen
aufdie langandauerndeSpieltradition,die in ihrenGrundlagennochimFastnachtspiel
des16. Jahrhundertszuwurzelnscheint.
InszeniertesBrauchtum
Dramatische Formen spielten im Brauchtum eine wesentliche Rolle, wie bereits an ver-
schiedener Stelle gezeigt wurde sei es im volkstümlichen Weihnachtsspiel, in Fast-
nachtsburleskenoderinHeischespielformen.BesondersgernewurdeinOberbayernzur
Zeitder Drischelleg`Theatergespielt,alsonachBeendigungderschwerenDrescharbeit
zuBeginnderwinterlichenRuhepause.AugustHartmannhat heuteüberwiegendver-
schollene Handschriften mit mündlichen Mitteilungen ergänzend eine ganze Reihe
dieser beliebten Drischellegspiele überliefert, die er großteils (mit zuweilen wenig über-
zeugenden Argumenten) dem legendären, aus Salzburg stammenden ausgejagten Stu-
denten` Ferdinand Joly (1765 1823) zuordnet.125 Die Dichtungen und Lieder des im
bayerisch-österreichischen Grenzgebiet vazierenden Scholi` waren im Volk äußerst be-
liebt;mitSicherheitzuordnenlassensichallerdingsbislangkeineArbeitenvonihm,die
vor 1800 entstanden wären. Das thematische Spektrum dieser von Laien in Scheunen
oder Wohnstuben aufgeführten, weitgehend anspruchslosen Drischellegspiele war of-
fenbar recht breit: Sagendramatisierungen ( Die Unterberger`) und Bibelszenen ( Der
verlorene Sohn`), Hirtenspiele und Liebespossen, Jahreszeitenspiele oder auch Über-
rumpelungsschwänkewiesieschonScholtzvonScholtzenbergimerstenInterludiumzu
Widerwertig-undglückseligeLiebeCambises (sieheKap.2)verarbeitet.Großteils scheint
hieralsosehraltesschauspielerischesTraditionsgutfürdiebäuerlicheUnterhaltungauf-
gegriffenoderneuinSzenegesetztwordenzusein.
DochauchdasBrauchtumselbstkonntewiederindramatischenBrauchtumsformen
thematisiert werden. In Norbert Pambichlers bereits angesprochenem Singspiel Tendl-
baß steht der personi zierte Brauch des Arbeitsabschlussfestes selbst im Mittelpunkt.
Geliebt von der Landarbeiterschaft, den Gewerbetreibenden und Spielleuten, aber an-
gefeindet von denen, die keinen wirtschaftlichen oder gar moralischen Nutzen in den
mit Essen, Trinken, Tanz und zuweilen eben auch Theaterspiel begangenen Feierlich-
keiten sahen, werden in den Figuren von Kleinem und Großem Tendlbaß die Vorzüge
und Nachteile der ländlichen Unterhaltungstraditionen diskutiert. Dass das Drischel-
leg- bzw. Tendlbass-Fest eine wichtige (nicht nur materielle) Form der Entlohnung für
124 ZitiertnachWolfram,Schwerttanzmanuskript,S.156f.
125 Vgl.Hartmann,Volksschauspiele,S.179 282.
zurück zum
Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen