Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Seite - 478 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 478 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte

Bild der Seite - 478 -

Bild der Seite - 478 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte

Text der Seite - 478 -

OpenAccess © 2019byBÖHLAUVERLAGGMBH&CO.KG,WIENKÖLNWEIMAR 478 KÖRPER UND SINNLICHKEIT hölzerne oder gep asterte Stufe, vor allem bei Bauernhäusern (von der aus auch die Notdurft verrichtet wer- denkonnte)5,3Schaf]hierwohl:Holzgerüst5,4danhi]weg,voneinemweg5,5Gagerln]denDarmentleeren 6,3 thuts aft zamma] hilft dann dabei 7,2 Lenni] weiche, von weicher Konsistenz, beinah üssige aileft] elf Zoll] Längeneinheit (nach dem Allgemeinen Maßpatent von 1754 entsprach das österreichische Zoll etwa 2,63cm)7,4 d'Neoth]dieNot7,5 Stadln]Scheunen Noch heute ruft das fäkalkomische Lied ähnliche Irritationen hervor wie damals. Zu rigide sind die Belange der Defäkation aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen, als dass man nicht über die dreiste Offenheit der Thematisierung verblüfft wäre, und nicht wenige werden sich wohl dabei ertappen, sich für ihr Belustigtsein zu schämen. Schon das Lachen über den grotesken Konventionsbruch selbst wird also als Konven- tionsbruch empfunden, da es die Berechtigung des kulturellen Wertesystems in Frage stellt, ob man es nun – mit Bachtin – als befreiendes Lachen emp ndet oder – mit Kay- ser – als abgründiges Lachen, das an das Grauen grenzt.10 Die Komik als Vereinigung von Inkongruentem resultiert dabei aus der Attraktion des tabuisierten Abstoßenden. Natürlich ist die Rede auch hier einem Bauern in den Mund gelegt, dessen Stand man traditionell weniger ernste Zivilisationsbemühungen unterstellte. Die Botschaft ist bei allerDrastikabereinesimpleWahrheit:InihrerLeiblich-undEndlichkeitsindalleMen- schen vom ‚ Nachtkönig` bis zum Monarchen im Wesentlichen gleich – dies ist auch die Voraussetzung für ein gemeinschaftliches, normunterwanderndes Mitlachen, das sich abhebtvomdisziplinierendenLachenüber jemanden. Dass solche anspruchslosen Scherze quer durch alle Gesellschaftsschichten beliebt waren, versteht sich von selbst. Niedergeschrieben wurden sie aber wohl nur, wenn sich damit ein Mehrwert verband, z.B. jener einer interessanten, notierenswerten Melodie. Mit viel Glück bleiben diese Niederschriften erhalten, so etwa ein Notenblatt aus der Feder des Wiener Komponisten Johann Baptist Henneberg (1768– 1822), der im letz- ten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts Kapellmeister am Freihaustheater war und dort u.a. maßgeblichanderEinstudierungvonMozartsZauber ötebeteiligtwar.Auchdiebeiden auf dem Blatt notierten Kanons über Harndrang und Flatulenz sollen im Beisein Mo- zarts entstanden sein, wie der Vorbesitzer dieses einzigen Überlieferungsträgers, Aloys Fuchs, vermutet.11 Viel Wahrheitsgehalt scheint diese Information aus verschiedenen Gründen nicht zu besitzen. Die Lieder – nach eigener Auffassung „ gut in nassen Ge- sellschaften zu gebrauchen“ – zeigen Merkmale des Improvisatorischen und schnell zu PapierGebrachten;HennebergverfasstedieMusikwohlzueigenenWorten,die imPro- zessderNiederschriftnochüberarbeitetwurden. 10 Vgl. Wolfgang Kayser: Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung. Oldenburg/Hamburg: Stalling1957. 11 Vgl.denZusatzamSchutzblatt:„ 3sehrlasziveCanonsnichtvorJedermannsEinsichtgeeignet– wohlaber bei nassen Gesellschaften unter Männern gut zu gebrauchen. 1. die beiden Canons auf der 1ten Seite sind von + Theaterkapellmeister Johann v Henneberg (intimmer Freund von Mozart – componirt u geschrie- ben.“ (StaatsbibliothekzuBerlin,Mus.ms.autogr.Henneberg, J.B.2M).
zurück zum  Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 Eine andere Literaturgeschichte
Titel
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Untertitel
Eine andere Literaturgeschichte
Autoren
Christian Neuhuber
Stefanie Edler
Elisabeth Zehetner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20630-9
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
652
Schlagwörter
Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800