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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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OpenAccess © 2019byBÖHLAUVERLAGGMBH&CO.KG,WIENKÖLNWEIMAR 478 KÖRPER UND SINNLICHKEIT hölzerne oder gep asterte Stufe, vor allem bei Bauernhäusern (von der aus auch die Notdurft verrichtet wer- denkonnte)5,3Schaf]hierwohl:Holzgerüst5,4danhi]weg,voneinemweg5,5Gagerln]denDarmentleeren 6,3 thuts aft zamma] hilft dann dabei 7,2 Lenni] weiche, von weicher Konsistenz, beinah üssige aileft] elf Zoll] Längeneinheit (nach dem Allgemeinen Maßpatent von 1754 entsprach das österreichische Zoll etwa 2,63cm)7,4 d'Neoth]dieNot7,5 Stadln]Scheunen Noch heute ruft das fäkalkomische Lied ähnliche Irritationen hervor wie damals. Zu rigide sind die Belange der Defäkation aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen, als dass man nicht über die dreiste Offenheit der Thematisierung verblüfft wäre, und nicht wenige werden sich wohl dabei ertappen, sich für ihr Belustigtsein zu schämen. Schon das Lachen über den grotesken Konventionsbruch selbst wird also als Konven- tionsbruch empfunden, da es die Berechtigung des kulturellen Wertesystems in Frage stellt, ob man es nun – mit Bachtin – als befreiendes Lachen emp ndet oder – mit Kay- ser – als abgründiges Lachen, das an das Grauen grenzt.10 Die Komik als Vereinigung von Inkongruentem resultiert dabei aus der Attraktion des tabuisierten Abstoßenden. Natürlich ist die Rede auch hier einem Bauern in den Mund gelegt, dessen Stand man traditionell weniger ernste Zivilisationsbemühungen unterstellte. Die Botschaft ist bei allerDrastikabereinesimpleWahrheit:InihrerLeiblich-undEndlichkeitsindalleMen- schen vom ‚ Nachtkönig` bis zum Monarchen im Wesentlichen gleich – dies ist auch die Voraussetzung für ein gemeinschaftliches, normunterwanderndes Mitlachen, das sich abhebtvomdisziplinierendenLachenüber jemanden. Dass solche anspruchslosen Scherze quer durch alle Gesellschaftsschichten beliebt waren, versteht sich von selbst. Niedergeschrieben wurden sie aber wohl nur, wenn sich damit ein Mehrwert verband, z.B. jener einer interessanten, notierenswerten Melodie. Mit viel Glück bleiben diese Niederschriften erhalten, so etwa ein Notenblatt aus der Feder des Wiener Komponisten Johann Baptist Henneberg (1768– 1822), der im letz- ten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts Kapellmeister am Freihaustheater war und dort u.a. maßgeblichanderEinstudierungvonMozartsZauber ötebeteiligtwar.Auchdiebeiden auf dem Blatt notierten Kanons über Harndrang und Flatulenz sollen im Beisein Mo- zarts entstanden sein, wie der Vorbesitzer dieses einzigen Überlieferungsträgers, Aloys Fuchs, vermutet.11 Viel Wahrheitsgehalt scheint diese Information aus verschiedenen Gründen nicht zu besitzen. Die Lieder – nach eigener Auffassung „ gut in nassen Ge- sellschaften zu gebrauchen“ – zeigen Merkmale des Improvisatorischen und schnell zu PapierGebrachten;HennebergverfasstedieMusikwohlzueigenenWorten,die imPro- zessderNiederschriftnochüberarbeitetwurden. 10 Vgl. Wolfgang Kayser: Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung. Oldenburg/Hamburg: Stalling1957. 11 Vgl.denZusatzamSchutzblatt:„ 3sehrlasziveCanonsnichtvorJedermannsEinsichtgeeignet– wohlaber bei nassen Gesellschaften unter Männern gut zu gebrauchen. 1. die beiden Canons auf der 1ten Seite sind von + Theaterkapellmeister Johann v Henneberg (intimmer Freund von Mozart – componirt u geschrie- ben.“ (StaatsbibliothekzuBerlin,Mus.ms.autogr.Henneberg, J.B.2M).
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 Eine andere Literaturgeschichte
Title
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Subtitle
Eine andere Literaturgeschichte
Authors
Christian Neuhuber
Stefanie Edler
Elisabeth Zehetner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20630-9
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
652
Keywords
Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800