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Sitten und Gebräuche. 43
nennt man im Bezirke Murau „Bisnen" und den Unschuldigenkindertag
„Bisentag".
Vom Weihnachtstage an bis zum hl. drei Königstage gehen manches-
mal K r i p p e l s p i e l e r und Sänger herum.
Im ganzen Ennsthale und Hinterbergerthale besteht die Sitte des
„Hockelns". „Zelt, Zelt in aller Welt ! Zelt, Zelt in aller Welt! bitt' gar
schön um einen Klöcklkrapfen ! " ist der Spruch, mit welchem am Vortage
der hl. drei Könige eine Anzahl von Armen und Kindern an den Haus-
thüren erscheint. Mit diesem Spruche wollen sie sagen, dass sie wie das
Christkindlein kein heimatliches Obdach haben oder doch wenigstens
recht arm sind und sich daher mit Brot, Obst, Geld, vorzüglich aber mit
Krapfen beschenken lassen möchten. Manche Hausmutter steht dann den
ganzen Tag beim Herde und backt eine Unmenge von Krapfen, um sie
dann unter die „Klöckler" zu vertheilen.
An manche Arbeiten sind ebenfalls bestimmte Gebräuche gebunden.
Wenn die Knechte mit dem Dreschen im Winter eher fertig werden,
als die Mägde mit dem Spinnen, so kommen in manchen Gegenden die Knechte
mit „Drischein" oder Strohbändern zu den Mägden in die Stube und „klem-
men", das heißt würgen sie. Werden aber die Mägde früher fertig, so suchen
sie einen Knecht, auf den sie sich getrauen, in die Hühnersteige zu stecken.
Zur Zeit des Haarbrechens laufen die „Brechelweiber" den Vor-
übergehenden nach, bewerfen sie mit Flachsahfällen (was „Weizengeben"
heißt) und wollen dafür Krapfen oder Geldgeschenke erhalten. Nach vollen-
detem „Brechein" gibt es in manchen Gegenden ein Mahl mit Krapfen
(Brechelkrapfen). Auch besteht da und dort der Brauch des „Brechel-
schreckens", das ist ein Mummenschanz, der mit einem Tanze endet.
Mit den wichtigen Momenten des Lebens sind natürlich auch allerlei
Gebräuche verbunden.
Die Patlien müssen dem Täufling ein „Gothenhemd" und vielleicht
andere Kleidungsstücke geben, vor allem aber ein Geldstück, etwa einen
Thaler; es wird dieses Geldstück „Chrisengeld" genannt und häufig schon
hei der Taufe dem Kinde auf die Brust gelegt oder unter den Windel-
tüchern verborgen. Einige Zeit nach der Geburt des Kindes, wenn die
Mutter schon herumgehen kann, wird in vielen Gegenden den Pathen
von den Kindeselteru ein Mahl bereitet. Die Pathenleute hingegen schicken
der Wöchnerin einen großen Korb voll mürber Kipfeln und anderer Bäcke-
reien. Man nennt dies Gebäck „Weisert".
Wenn ein Mann um eine Braut anhält, so heißt man dieses „Bit-
tein", oder wenn es ein anderer für ihn thut, so heißt man diesen „Bit-
telmann". Wenn der Bittier Gehör findet, so wird ihm ein Essen vorgesetzt.
Die Brautleute schaffen sich für die Hochzeit einen ganz neuen Anzug,
das „Brautgewand" an.
Naht sieh der Tag der Hochzeit, so tritt an Stelle des Bittiers der
Hochzeitslader, der nun bis Ende der Hochzeitsfeierlichkeiten die Haupt-
rolle spielt. Es muss ein findiger, witziger Bursch sein, der seine Rede-
gewandtheit schon bei ähnlichen Gelegenheiten vielfach erprobt hat.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918