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298 Das Thal cler Mur.
die Flößer hierauf die Wirtsstuben nächst den Lendplätzen. Nächsten
Morgen tritt der Flößer meist den Heimweg an, und da wird der Schiffer
plötzlich zum Alpensteiger, und mit dem Floßseil umwunden und dem
übrigen Handwerkszeug, dem Sappel, Bohrer und der Säge, den hohen
Alpenstock in der Hand, schreitet der Flößer auf wohlbekannten Gebirgs-
pfaden der heimatlichen Scholle, wo Weib und Kinder seiner angstvoll
harren, zu, um alsbald wieder neuerdings die gefahrvolle Fahrt zu unter-
nehmen. Heute hat die Plättenfahrt ganz aufgehört und die wenigen, heute
noch gegen das Unterland schwimmenden Flöße dienen nur mehr der Holz-
verfrachtung und dadurch haben sie längst ihre frühere Bedeutung verloren.
Auch die Ges t a l t des H a m m e r s c h m i e d e s , sowie jene des
ihm befreundeten S e n s e n s c h m i e d e s , ist von der Großindustrie,
welche sie zu Fabriksarbeitern herabgedrückt hat, verdrängt worden. Noch
in den fünfziger Jahren stand der großsprecherische und lebenslustige
Hammerschmied, der A r i s t o k r a t unter den H a n d w e r k e r n , im
Vollbesitze seiner Macht und seines Ansehens. Keiner konnte mit den
blanken Thalern so lustig klimpern wie der Hammerschmied und sein
Vetter, der Sensenschmied, und daher spielten sie in der Wirtsstube und
auf dem Tanzboden die erste Rolle. Sie wussten gar gut das Ansehen des
steirischen Hammerherrn sich zu Nutze zu machen und im stolzen Selbst-
gefühl, durch ihr Geschick und ihren Fleiß nicht wenig zur Erhaltung des
alten Farnilienwohlstandes und des Ansehens des steirischen Eisens bei-
zutragen, sahen sie mit Verachtung auf die übrigen Gesellen und Arbeiter,
insbesonders aber auf den Hufschmied herab.
Sonntag erschien der Hammerschmied in festlicher, nach einem eigen-
artigen, sozusagen stutzerhaften Schnitt gefertigter Tracht. Er war der
erste auf der Kegelbahn oder der Schießstätte und fühlt sich durchwegs
als Herrn unter dem Haufen Bauersknechten und Gesellen. Zum Tanze
wählt er sich unbestritten die schönste Dirne und in der Wirtsstube
führt er das Wort und wenn er ein Zitherspiel, ein Lied oder eine Er-
zählung zum besten gab, forderte er, dass alles ihm aufmerksam zuhorcht.
Sollte einmal der blanke Silberthaler seine Wirkung verfehlen, so wirft
der Hammerschmied das Gewicht seiner gewaltigen Arme, die so trefflich
das Eisen zu recken wissen, in die Wagschale, und entscheidet mit seinen
ehernen Fäusten den Streit zu seinem Gunsten. Wird aber seine Ober-
herrlichkeit von den übrigen Burschen willig anerkannt, so zeigt sich der
Hammerschmied nunmehr auch gerne als freigebiger Gastfreund.
Mit dem Eisenwesen hängt auch innig der rußige Köh le r zu-
sammen, der mit seinem, von einem struppigen kleinen Pferd gezogenen
Wägelchen • träge auf den geschwärzten Kohlensäcken gelagert, bis in die
Gassen von Graz sich verirrte. Aber nicht die Stadtluft war das Lebens-
element des Köhlers; sein Gebiet war der Hochwald und hier wurzelt
sein ganzer Lebenskreis. Er is t d e r E i n s i e d l e r des W a l d e s , der,
allem Lebensgenuss entsagend, genügsam bis zur äußersten Grenze sich
hier seine schlichte Blockhütte zimmert, welche nun so lange seine arm-
selige Wohnstätte bildet, solange er Holz zum Kohlen findet. Er lebt
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918