Seite - 267 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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Stadt vier weisse Rosse und zwei Zeugrosse, was die Bürgerschaft
auf das Aeusserste erbitterte. Bald darauf verbot Paar den Bürgern
jede Zusammenkunft, und dem Magistrate, das Rathhaus zu öffnen.
In dieser Zeit tauchen die Gestalten des Stadtschreibers Hanns
Pressl und des Stadtrichters Mathias von Wels als energische,
todesmuthige Verfechter der Stadtfreiheiten auf, die bald Märtyrer
ihrer Ueberzeugung werden sollten. Um die Bürger ihrer geistigen
Führerschaft zu berauben, Hess Paar Pressl im October (1612) durch
den Landprofosen in den Stadtthurm werfen und „verschmietten", ein
unerhörter Eingriff in die Stadtrechte. Pressl entkam jedoch aus dem
Ge-fängniss
und entfloh zum Erzherzog und erwirkte von ihm sicheres
Ge-leit.
Ende October wurde wieder eine Commission abgehalten, die
ganz zu Gunsten Paar's entschied. Der Stadtrichter Wels recurrirte
aber dagegen, was Paar so erbitterte, dass er Wels in den Malifizthurm
werfen und in Eisen legen liess, wo er durch 22 Tage in Haft
ge-halten
wurde, während welcher Zeit er nur täglich um Mitternacht
ein Stück Brod und Wasser mit einem Strick hinabgelassen erhielt.
Mit diesem furchtbaren Gewaltact noch nicht befriedigt, liess Paar
überdies noch die Stadtsiegel, die Urkunden und Cassen gewaltsam
in's Schloss bringen und das Rathhaus ganz sperren. Am
Aller-seelentage
kam Pressl Abends von Neustadt zurück nach Hartberg
wo er sogleich zu dem von Paar eingesetzten Stadtrichter Leonhard
Forstner ging. „Herr von Paar", sagt eine alte Schrift, „davon
unter-richtet,
schickte sogleich seinen Anwalt nebst neun armirten, mit
Püxen und Wöhren wohlversehenen Dienern dahin. Dieser ist mit
entblösten Wöhren in die Stuben getreten mit diesen Worten: „Finde
ich dich da, du ehrbarer Vogel etc." und hat darauf die Pistolen
dem Stadtschreiber an das Herz gesetzt, und ob gleichwohl
Stadt-schreiber
gebetten, man solle ihme nur am Leben nichts thuen, er
wolle sich gerne gefangen geben und mit der Hand die Pistolen
ab-gewandt,
hat doch nichts geholfen, sondern der Anwalt haut ihme
mit ainem Pallasch, desgleichen auch ein anderer Diener mit ainem
Rappier in den Kopf zwo Wunden Chreuzweiss. Die anderen Diener
haben sogleich auch zugestochen, und ihme mit Helleparten, als er
sich mit seinem Stilet hernach salviren, und damit Stich und stich
auffangen wollen, durch und durch gestochen, bis er in der Stueben
todter auf dem Fletz gelegen, an welchem der Anwalt noch nicht
ersettigt gewest, sondern den armen todten Körper mit den Füssen
noch zweeil tritt auf den Hals getban, und also die Seele ganz von
ihme ausgetrieben hat — ist also der arme Mensch ellendigkhlich
in seinen khlaidern eingcnähct und begraben worden, den niemandt,
ausser des gerichtsdieners zur Erden belaitten dürfen, dass in Gott
zu erbarmen ist."
Trotz des Verbotes jeden Gespräches über diesen Mord,
be-schwerten
sich die Bürger beim Gubernium; es wurde hierauf wieder
mit bekanntem Erfolge commissionirt und zuletzt von Kaiser Fer-
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918