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Sinngehalt in erster Linie von ihrer wechselseitigen Bezüglichkeit untereinander ab-
hängig ist. Diese wiederum ist üblicherweise das Produkt der Anordnung dieser Ob-
jekte im Raum. Archiven und Bibliotheken kann es im Großen und Ganzen gleich-
gültig sein, welches Buch in welchem Regal steht und welche Akte in welchem säu-
refreien Karton liegt ˗ entscheidend ist, dass sie zentral verzeichnet sind und bei Be-
darf gefunden werden können. Eine Bibliothek ist keine Anordnung, die etwas mit-
zuteilen hätte ˗ sie ist lediglich ein Magazin für Mitteilungen. Ein Bibliotheksbestand
mag mit zunehmender Größe der Desorganisation anheimfallen, die Integrität des
Sinngehaltes des einzelnen Buches bleibt hiervon jedoch unangetastet. Das Museum
hingegen ist in letzter Konsequenz immer eine Informationsarchitektur und als solche
ein transitiver Raum, der eine Verbindung zwischen Ort und Nicht-Ort herzustellen
versucht, zwischen den physisch-konkreten Ausstellungsobjekten und diskursiv-abs-
traktem ›Wissen‹.3 Damit erhält auch ein Mangel informativer Anschlussfähigkeit im
Museum eine Eindrucksqualität, die er in anderen Wissensspeichern nicht entwickeln
würde. Valérys Text ist Zeugnis einer solchen überwältigenden Konfrontation mit
materiell auswuchernder Sinnlosigkeit.
Im April 1968 – 43 lange Jahre also nach der Entstehung von Valérys Essay –
richtete das New Yorker Metropolitan Museum of Art eine Tagung zum Thema Com-
puters and Their Potential Applications in Museums aus. Diese Konferenz markierte
nicht die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwi-
schen Museen und Computern (und damit dem Leitmedium der Informationswissen-
schaft),4 beinhaltete aber einen bemerkenswerten Redebeitrag des damals in Stanford
lehrenden Kommunikationswissenschaftlers William J. Paisley, in dem eine funda-
mentale Veränderung des Zugriffs auf museale Sammlungen vorhergesagt wird:
Sometime in 1980 a scholar will enter a major museum, seat himself at a computer terminal in
the research room, ask to review all the works depicting, say, sailing vessels. He will want to
see bas-reliefs and sculptures, as well as drawings and paintings. He will expect to see works
from all significant collections around the world, including works currently in storage in the
museums, and those out in travelling exhibitions. (Paisley 1968: 195)
Der von Paisley prognostizierte Zeitrahmen für die Einrichtung eines universellen
computergestützten Abrufsystems für alle musealen Objekte der Welt ist offensicht-
3 Insbesondere Gottfried Korff hat diesen Dualismus von Aktualität und Potentialität wie-
derholt als zentrales Element seines Museumsbegriffs hervorgehoben. Vgl. hierzu beispiel-
haft Korff 2002b: 141f.
4 Eine kleine Chronologie bedeutender Studien der 60er und 70er Jahre zu diesem Problem-
komplex findet sich bei Parry 2006: 15f. Siehe hierzu auch Kapitel 6.3 der vorliegenden
Studie.
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien