Seite - 119 - in Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Bild der Seite - 119 -
Text der Seite - 119 -
3 ›Virtuelle Museen‹:
Medienwechsel und Kontinuität
Dabei muss uns mit Rückblick auf die beiden Einführungskapitel das Projekt einer
›Virtualisierung des Musealen‹ zunächst wie eine redundante Unternehmung erschei-
nen. Denn natürlich sind Museen im Sinne des hier zugrunde gelegten Virtualitäts-
begriffes zutiefst virtuelle Dispositive: Das Museum lebt von der Unabschließbarkeit
der Bedeutungsinhalte seiner Exponate. Ausstellungen sind keine räumlich ausfor-
mulierten Texte, sondern Netzwerke von Sinnträgern, in deren wechselseitigen Be-
züglichkeiten die verschiedensten Deutungsmöglichkeiten latent vorhanden sind.
Was der Hypertextleser im übertragenen Sinne tut, das leistet der Museumsbesucher
im wörtlichen: Seine Navigation nimmt die Gestalt tatsächlicher, physischer Bewe-
gung an und der semantische Raum, in welchem sie stattfindet, ist zugleich ein phy-
sikalischer. Der monumentale und immer das Ding in seiner Körperlichkeit und Ma-
terialität ins Zentrum rückende Bewahrungsauftrag des Museums verstellt allzu
leicht den Blick darauf, dass Museen in ihren Vermittlungsmodalitäten prozedural
angelegt sind: Erst die rezipierende Bewegung durch den musealen Raum und ent-
lang der Objekte belegt sowohl Raum als auch Objekte mit Bedeutungen (vgl. Gross-
arth 2005: 47f.).
Im Jahre 2006 veröffentlichte der britische Museologe Ross Parry mit seiner Mo-
nographie Recoding the Museum nicht nur eine sehr positive Einschätzung der Mög-
lichkeiten, welche sich für die Institution Museum aus Digitalisierungsprojekten er-
geben. Vielmehr handelt es sich bei seinem Buch um die wohl erste museumswis-
senschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema, die nicht vorrangig den Bruch
problematisiert, der sich aus dem Wegfall des materiellen Objektes ergibt, sondern
die eine Kontinuität der Vermittlungslogik zwischen Museum und Web in den Mit-
telpunkt stellt und das Museum zugleich zu einem mediengeschichtlichen Vorgänger
moderner Netzwerkarchitekturen erklärt: »Simply put, before computing came along,
museums had already been performing many of the functions of computers.« (Parry
2006: 81)
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien