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die Notwendigkeit einer vermittelnden Instanz zwischen Code und Kulturwelt, wenn-
gleich er hierbei nicht ausdrücklich vom ›Interface‹ spricht. Das ›digitale Objekt‹ ist
bei ihm die Oberfläche eines digitalen Systems, das den ihm zugrundeliegenden Da-
ten sinnliche und kulturelle Wahrnehmbarkeit verleiht. Digitale Objekte entstehen
dementsprechend aus der eindimensional-prozeduralen Verarbeitung von Daten
ebenso wie aus deren zweidimensionaler Verknüpfung untereinander (vgl. ebd.). Ent-
lang dieser Überlegung gelangt Hui interessanterweise zu einer ähnlichen Konzep-
tion von digitalen ›Dingen‹ wie Novak mit seiner Vorstellung von Attributobjekten.
Auch Huis digitale Objekte sind netzartig arrangierte Gefüge von Eigenschaften, wel-
che die Grenze zwischen dem Gegenstand und seiner Beschreibung verwischen:
Was ich im Einzelnen mit Objekten meine, sind Begriff gewordene oder strukturelle Daten. So
hat zum Beispiel ein Stuhl vier Beine, ist aus Holz gebaut und so fort, und diese Beschreibungs-
merkmale konstituieren die Identität des Objekts. Die Beschreibung von Objekten wird übli-
cherweise unter dem Begriff der »Metadaten« gefasst. Werden diese Daten als vereinheitlichtes
Objekt digitalisiert, wie dies beim objektorientierten Programmieren geschieht, dann wird da-
raus ein digitales Objekt. (Ebd.: 104)
Digitale Objekte erscheinen hier also in erster Linie als semantische Konstrukte: Sie
werden artikuliert, indem für den Computer verständliche Attribute zu Gefügen ar-
rangiert werden. Diese Verständlichkeit für das formallogische System des Compu-
ters wiederum gründet sich nach Huis Ansicht auf eine doppelte ›Objektivität‹ der
Beziehungen von Daten untereinander: Erstens nämlich weisen sie keine Subjektqua-
litäten und damit auch keine eigene Mitteilungsabsicht auf, und zweitens sind sie
»objektbezogen« (ebd.: 104) insofern, als dass ihr funktionaler Apparat eben darauf
ausgerichtet ist, digitale Daten zu digitalen Objekten zu arrangieren. Als Paradebei-
spiel für ein solches Bezugssystem führt Hui das sog. »semantic web« (Berners-Lee,
Handler u. Lassila 2001) an, das in einem vom WWW-Erfinder Tim Berners-Lee
2001 mitverfassten Artikel im Scientific American als logischer Nachfolger des ur-
sprünglichen, auf HTML und HTTP basierenden Webs in Aussicht gestellt wurde.
Zum Zeitpunkt seiner Benennung stellte das Semantic Web also noch eine Zu-
kunftsvision dar, die erst in Ansätzen existierte, und auch jetzt noch kann es besten-
falls als in funktionalen Teilaspekten verwirklicht gelten. Der Begriff bezeichnet die
Idee, dem Web als einem von Menschen für Menschen arrangierten Hypertextsystem
ein zweites Netz aufzusetzen, das für Maschinen lesbar ist. Dieses soll »Software-
Agenten« (ebd.) ein ›Verstehen‹ von Webseiteninhalten ermöglichen, das mit dem
der menschlichen User zwar nicht identisch, jedoch funktional gekoppelt ist. Die
›Agenten‹ sollen Seiten auf eine Weise miteinander assoziieren, die auf kulturelle
Zusammenhänge zurückverweist ‒ bzw. so auf diese zurückverweist, dass die Soft-
ware den Menschen bei der Navigation des Netzwerks unterstützen kann. Berners-
Lee und seine Co-Autoren verdeutlichen diese Idee in Form eines kurzen (und Züge
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien