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›Virtuelle Museen‹: Medienwechsel und Kontinuität | 149
turgesetzartigen Logik der technischen Datenverarbeitung einerseits und der Offen-
heit und den Freiheitsgeraden kulturellen Ausdrucks andererseits. Die von Simano-
wski diagnostizierte ›Übersetzbarkeit von Allem in Alles‹ (vgl. Simanowski 2008:
112) ist weniger eine Potentialität digitaler Medien, als ihr ständiger modus operandi:
Sich digitalen Objekten adäquat nähern zu wollen, setzt möglicherweise gerade vo-
raus, sie nicht in rigiden ontischen Kategorien greifen zu wollen und sie stattdessen
als fluide und transformative Objekte zu begreifen, die als das in Erscheinung treten
können, was Rezipient und technischer Apparat aus der Situation heraus aus ihnen
machen.
3.2.6 Verkehrsformen
Anke te Heesen führt aus dem Kontext der Museumswissenschaft und -praxis einen
sehr interessanten Begriff in das Nachdenken über Objekte ein, den sie der marxisti-
schen Wirtschaftstheorie entleiht: jenen der Verkehrsform. In seiner ursprünglichen
Bedeutung ist dieser Terminus ein Sammelbegriff für die Gepflogenheiten und Mo-
dalitäten zwischenmenschlicher Austauschprozesse: Verkehrsformen sind Arten und
Formen des Sich-Gegenübertretens, die im Marx᾿schen Duktus selbstverständlich
von ökonomischen Umständen determiniert sind ‒ so sei die übliche Verkehrsform
des Kapitalismus z.B. die des Austauschs von Tauschwerten zwischen Eigentümern
(vgl. Marx u. Engels 1953: 70ff.). Nach te Heesen gingen aus derselben wirtschafts-
geschichtlichen Situation, welche diese menschliche Verkehrsform hervorbringen
konnte, auch neue »Verkehrsform[en] des Objekts« (Heesen 2005: 60) hervor. Wäh-
rend die Verkehrsform in Bezug auf den Menschen in erster Linie die Beziehungen
zwischen Einzelpersonen beschreibt, meint die Verkehrsform des Objekts hier eine
spezifische Beschaffenheit der Objekte selbst. Te Heesens Einschätzung nach tritt
dem Menschen seit der Industrialisierung zunehmend nicht mehr das abgeschlossene
und mit klarer Identität versehene Einzelobjekt gegenüber, sondern eine ständig an-
schwellende Fülle von Massenprodukten, die im Einzelnen kaum mehr voneinander
zu unterscheiden sind und die darüber hinaus immer schneller von neuen Objekten
ersetzt werden (vgl. ebd.: 60f.).
Der Umgang mit diesen Gütern erfordert nach te Heesen neue Formen der Aus-
einandersetzung, die der erdrückenden Schwemme immer beliebiger werdender Ob-
jekte Spezifizierung und Handhabbarkeit gegenüberstellen. Als ein einfaches Bei-
spiel für eine solche Transformation nennt sie den Zeitungsausschnitt. Die vollma-
schinell gedruckte Tageszeitung erscheint als idealtypisches Beispiel für ein Ver-
kehrsobjekt der industriellen Moderne: Sie wird in Massen kaum unterscheidbarer
Einzelexemplare hergestellt, hat eine sehr begrenzte Aktualitätsdauer von nur einem
einzigen Tag, wird dementsprechend mit sehr schneller Frequenz von ›Folgemodel-
len‹ abgelöst, und sie ist nahezu überall für einen geringen Preis erhältlich, was sie
Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Titel
- Dinge – Nutzer – Netze
- Untertitel
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Autor
- Dennis Niewerth
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Kategorie
- Medien