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Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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1 DIE GRENZE Auf ihrem Weg von der Steiermark in das ungarische Grenzdorf Unter-Zem- ming, wo sie ihren Großvater besuchen wollen, stoßen die Brüder Dick und Mac, die Protagonisten des Jugendbuchs Gefährliche Grenze (1956)1 von Paul Anton Keller, gemeinsam mit ihrem Begleiter, dem Hund Blondy, auf ein scheinbar unüberwindbares Hindernis. Auf die Frage, ob es noch weit bis zu ihrem Ziel wäre, antwortet ihnen ein hilfsbereiter Briefträger, dass Unter-Zemming „in der anderen Welt“ liegen würde: „‚Ja, ja‘, nickte der Mann. ‚Einen Katzensprung wei- ter hat unsere Welt ein Ende. Habt ihr noch nichts vom eisernen Vorhang gehört? […] Bei uns kann euch jeder Maulwurf sagen, was der eiserne Vorhang ist!‘“ (GG 156  f.) Auf die kindlich-naive Frage des zehnjährigen Dick, ob sich der „Vorhang“ denn nicht aufheben lasse, reagiert der Briefträger naturgemäß amü- siert: „Du glaubt wohl, es ist ein Vorhang aus Mollino oder Hausleinen oder sonstwas, gelt? Nein, mein Lieber, dieser Vorhang ist aus Stacheldraht, und hin- ter dem Stacheldraht liegen die Teufelseier in der Erde, und er ist elendlang und geht mitten durch uns alle.“ (GG 157) In dieser Szene aus Paul Anton Kellers Kinderbuch wird der doppelte Cha- rakter des Eisernen Vorhangs erklärt. Die Konfrontation der beiden dominie- renden politischen Systeme nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte nicht nur ein globales System von Eigenem („unsere Welt“, s.o.) und Fremdem („andere Welt“, s.o.), sondern manifestierte sich in Europa auch in einer territorialen, physisch wahrnehmbaren und nur unter Lebensgefahr überschreitbaren Grenze. Die „Konnotation des Martialischen, Waffenstarrenden“,2 die der Metapher des „Eisernen Vorhangs“ innewohnt, wird in Kellers Text dabei besonders betont: dickmaschiger Stacheldraht und Minen („Teufelseier“) machen ihn undurch- dringlich. Diese Grenze trennt zwei Welten und verwirklicht damit auf der Ebe- ne der Topographie, was den Kalten Krieg insgesamt prägt: seine bipolare Struk- tur. In allen gesellschaftlichen Bereichen wurden Akteure, Handlungen und Ereignisse in die Gegensätze von Gut und Böse, Freund und Feind, Freiheit und Sklaverei, Licht und Finsternis eingeordnet. Der amerikanische Präsident Dwight  D. Eisenhower formulierte 1953: „The Forces of good and evil are mas- sed and armed and opposed as rarely before in history – Freedom is pitted against 1 Paul Anton Keller: Gefährliche Grenze. Wien: ÖBV 1956. Im Folgenden als GG mit fortlau- fender Seitenzahl zitiert. Zur Zitierweise der weiteren Primärtexte siehe Siglenliste. 2 Christian Koller: Der „Eiserne Vorhang“. Zur Genese einer politischen Zentralmetapher in der Epoche des Kalten Krieges. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 54 (2006) H.  4, S.  366–368, hier S.  367.
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
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