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trennungspolitik ging auf Überlegungen der westlichen Mächte, vor allem Groß-
britanniens zurück, die in der provisorischen Regierung von Karl Renner, die
unter Mitwirkung der sowjetischen Besatzungsmacht zustande gekommen war,
eine „Marionette Moskaus nach osteuropäischem Muster“52 vermuteten.
Diesen Gesetzen ist auch Boris Kostoff, einer der Protagonisten von Interna-
tionale Zone unterworfen. Am Beginn des Romans wird er sich darüber klar,
dass er sich nicht mehr in die russische Zone, wo er, gedeckt durch die Sowjets,
Zigaretten im großen Stil schmuggelte, absetzen kann: „Noch vor fünf Jahren
hatte er mit den uniformierten Herren der Russischen Zone in Wien auf gutem
Fuß gestanden. Aber seit dem peinlichen Ereignis auf der Urfahr-Brücke, seiner
Festnahme, durch die er, ohne es sonderlich zu wollen, den Amerikanern das
russische Menschenraub-Komplott in die Hände gespielt hatte, wäre er da drü-
ben sicherlich nicht mehr gerne gesehen“ (IZ 11).
Als Mitglied eines Schwarzhändlerrings war Kostoff an einem Menschenraub
(vgl. Kapitel 15 Verschleppung) im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht
beteiligt, der mit dem Tod des Verschleppten, dem ungarischen Doppelagenten
Imre Zoltan, endete. Von den Amerikanern verhaftet und zu dreieinhalb Jahren
Haft verurteilt, reist er nach Ende der Haftzeit von Salzburg (amerikanische
Zone) in das (noch) vierfach besetzte Wien des Jahres 1954 zurück. Es gibt aller-
dings noch einen Ort, an dem er zu gewissen Zeiten Schutz vor der gefürchteten
sowjetischen Besatzungsmacht finden kann:
In die internationale Zone, in die Innenstadt Wiens, konnte er schon noch ge-
hen. Jetzt war November, und erst im Dezember wechselten die Russen wieder in
den Vorsitz des Alliierten Rates. Dadurch erhielten sie das Kommando über die
Wiener Alliiertenpolizei, was in der Praxis bedeutete, daß sie zwar nicht in den
westlichen Bezirken, dafür aber in der Inneren Stadt um so mehr Festnahmen
durchführen konnten. (ebd.)
Internationale Zone verdeutlicht, dass die Grenze ein „herausgehobener Raum,
der durch Zeichen und Rituale markiert wird“53, ist. Sie trennt – in diesem Fall
– vier Territorien mit ihren vier politisch, sozial, kulturell und linguistisch ver-
schiedenen Systemen voneinander. Das Überschreiten der Zonengrenzen wird
immer wieder als gefährlicher Akt dargestellt. „Sie wissen: Demarkationslinie.
Wenn es einmal geschehen ist, können wir nichts mehr machen. Also Vorsicht“
(UFA 131), wird Alex Lutin, der Protagonist des zweiten Dor-Federmann-
on. In: Dies. (Hg.): Die bevormundete Nation: Österreich und die Alliierten 1945–1949. Inns-
bruck: Haymon 1988, S. 11–21, hier S. 17.
52 Ebd.
53 Dieter Lamping: Über Grenzen, S. 12.
„Internationale Zone“: Die innerösterreichische Grenze 37
Diskurse des Kalten Krieges
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Titel
- Diskurse des Kalten Krieges
- Untertitel
- Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20380-3
- Abmessungen
- 15.9 x 24.0 cm
- Seiten
- 742
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918