Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Seite - 74 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 74 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

Bild der Seite - 74 -

Bild der Seite - 74 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

Text der Seite - 74 -

Reisen ins gelog’ne Land Der ‚reale Sozialismus‘ als Enttäuschung – Reinhard Federmanns Das Himmelreich der Lügner (1959) Die Kinder – und besonders die anthropomorphisierten Hunde – aus den Jugendromanen Katz’ und Kellers könnte man nachgerade als paradigmatische Figuren der Unvoreingenommenheit bezeichnen, da sie mit kulturellen Kon- ventionen, politischen Ideologien und Diskursen wenig oder keine Erfahrung haben und darum auf den neuen Erfahrungsraum ‚unvoreingenommen‘ – posi- tiv oder negativ – zu reagieren scheinen. Sie eignen sich ausgezeichnet, um die Frage nach der Bewertung des politischen Raumes hinter der Grenze als offen darzustellen und damit der gegebenen Antwort besonderes Gewicht zu verlei- hen. Auch die nicht-fiktionalen Propagandatexte, die behaupten, Reiseerfahrun- gen österreichischer oder internationaler Delegationen wiederzugeben, bevor- zugen parteilose, politisch indifferente – oder aber sogar kommunismuskritische – Personen. In der Logik des Augenzeugen-Narrativs gilt die jeweilige Bewer- tung des Gesehenen als besonders vertrauenswürdig, wenn die Figur des Augen- zeugen oder der Augenzeugin trotz fehlender ideologischer Zustimmung oder gar trotz ideologischer Gegnerschaft zu einem positiven Urteil über die Sowje- tunion bzw. die kommunistischen Staaten kommt. Andererseits erscheinen aus der Sicht der kommunistischen Propaganda besonders jene Fälle als bedrohlich, in denen überzeugte Kommunisten wie Gide vom Gesehenen entsetzt sind und zu Kommunismuskritikern werden, da sich die Vorstellung vom vermeintlichen Arbeiterparadies als Täuschung herausge- stellt hat. An diesem prekären Punkt des Diskurses setzt Reinhard Federmanns Roman Das Himmelreich der Lügner (1959)67 an. Federmann nützt das Motiv der Reise in die Sowjetunion – hier allerdings der erzwungenen ‚Reise‘ eines politischen Flüchtlings in die Emigration – als narratives Gerüst für einen bit- teren politischen Desillusionierungsprozess, den sein Protagonist im Verlauf des Romans durchzumachen hat. Die Handlung wird als Rückblick des ehemaligen sozialdemokratischen Aktivisten und Februarkämpfers Bruno Schindler erzählt, der sich an die Zerschlagung der österreichischen Arbeiterbewegung und seine darauf folgende Flucht in die UdSSR im Jahr 1934 erinnert. Seinem frühen sozi- alistischen Engagement liegt der Glaube an eine bessere Zukunft zugrunde. Dies zeigt sich, wenn er am Vorabend der Februarkämpfe angesichts einer nach Hein- rich Heine benannten Straße in Wien die Strophe aus dessen Deutschland, ein Wintermärchen (1843) memoriert: 67 Reinhard Federmann: Das Himmelreich der Lügner. München: Langen Müller 1959 [im Fol- genden als HL mit fortlaufender Seitenzahl zitiert]. Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR 74 2 Reisen ins Rote – Augenzeugen hinter dem Eisernen Vorhang
zurück zum  Buch Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur"
Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
Geschichte Nach 1918
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Diskurse des Kalten Krieges