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Nach 1918
Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
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Seite - 77 - in Diskurse des Kalten Krieges - Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur

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höriger der sowjetischen Besatzungsmacht nach Österreich zurück. Als er dort immer stärker in den propagandistischen Kleinkrieg der Besatzungsmächte ver- wickelt wird, flieht er 1949 nach München, um einer Strafversetzung nach Mos- kau zu entgehen. Schindlers Glaube an die revolutionäre Mission des Einzelnen im histori- schen Prozess, der bereits in Moskau ins Wanken kam, weicht dann angesichts der Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes durch die Rote Armee 1956 end- gültig einer grundlegenden Resignation. „Wir sind das geblieben, was wir gewe- sen sind, als der Vorhang aufging: Zuschauer. Die Rolle des Zuschauers, meine Damen und Herren, besteht darin, das Spiel schweigend zu betrachten“, formu- liert er in einer fiktiven Trauerrede (HL 508). Die Fallhöhe dieser Enttäuschung haben die beiden dem Roman vorangestellten Mottos vorgegeben. Dementspre- chend trägt das letzte Kapitel den Titel „Ein Himmelreich wird beerdigt“. Die Geschichte der Enttäuschung linker Utopien, die der Roman über die histori- schen Daten 1934 – 1937 – 1945 – 1956 erzählt, führt seinen Protagonisten allerdings weder zu einer neuen Heilsideologie noch inthronisiert sie ihn als „Richter“: „Ich bin nicht Richter über diese Zeit, ich bin ihr Opfer; eins freilich, das die Schläge ihrer Vollzugsbeamten nur gestreift haben. Ich habe nicht Ursa- che zu jammern, und doch wollen mir die Jubelrufe nicht über die Lippen.“ (HL 319) Jubelrufe findet der Protagonist eben auch in Bezug auf die westliche Welt nicht. Herbert Eisenreichs im Forvm 1959 erschienene Rezension erfasst sehr genau die politische Heimatlosigkeit, die der Protagonist des Romans repräsentiert und die den Text insgesamt prägt: „Er [Federmann] offeriert uns kein neues Heil: etwa den Westen schlechthin; er begnügt sich damit, die Illusionen abzubauen. Er postuliert keine neue Wahrheit, sondern entlarvt die Lügner.“69 Gerhard Fritsch schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er in seiner Besprechung meint, Das Himmel- reich der Lügner unterscheide sich von klischeehaften Erzählungen von „Enttäu- schung, Verzweiflung und Bekehrung des Leftisten“, indem der Autor „seinen Stoff aus der Sphäre der Tendenz“70 hebt. Die Erfahrung des Sowjetregimes mit 69 Herbert Eisenreich: Über die Pflicht im Nachhinein klüger zu sein. An Hand von zwei neuen österreichischen Romanen: Reinhard Federmanns ‚Himmelreich der Lügner‘ (Langen Müller Verlag, München) und Dorothea Zeemanns ‚Rapportbuch‘ (Biederstein-Verlag, München). In: Forvm 6 (1959) H.  72, S.  456  f., hier S.  456. 70 Gerhard Fritsch: Hier kommt ein Mensch. Reinhard Federmann. In: Wort in der Zeit 8 (1962) H.  3, S.  4–11, hier S.  9. Sogar Helmut Qualtingers berühmte Figur „Herr Karl“ schließt sich hier an: „Bis Vieradreißg war i Sozialist. [...] heit bin i darüber hinaus  ... i hab eine gewisse Reife, wo mir die Dinge gegenüber abgeklärt sind“. Helmut Qualtinger: Der Herr Karl [15.11.1961 im ORF; ab 30.11.1961 im Kleinen Theater in der Josefstadt; dann in den Kammerspielen und in Deutschland.] In: Helmut Qualtinger: Werkausgabe. Hrsg. v. Traugott Krischke. Bd.  1, ‚Der Herr Karl‘ und andere Texte fürs Theater. Wien: Deuticke 1995, S.  163–187, hier S.  169. Reisen ins gelog’ne Land 77
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Diskurse des Kalten Krieges Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Titel
Diskurse des Kalten Krieges
Untertitel
Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20380-3
Abmessungen
15.9 x 24.0 cm
Seiten
742
Kategorien
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