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Palacký's Politisches Vermächtniss
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22 zu sein, indem sie oft über die ihr festgesetzten Grenzen hinüber- greift. Der bedeutendste Philospph der Neuzeit, Immanuel Kant, wies, nachdem er mit unvergleichlichem Scharfsinne die gesammte Thätigkeit des menschlichen Geistes durchforscht hatte, nach, dass die Thätigkeit der Vernunft durchaus nur regulativ, keineswegs aber konstitutiv oder schöpferisch im engern Sinne ist, dass wir nur die Erscheinungen der Dinge (Phaenomena) wahrnehmen, während ihre innere Beschaffenheit, ihr Wesen an sich (Noumenon) uns ein Geheimniss bleibt; und nachdem er auf diese Weise alle Attribute des Geistes analysirt hatte, fand er in ihm ausser der Vernunft und dem Willen auch ein wichtiges, besonderes und eigen- artiges Element, welches er den „kategorischen Imperativ'4 nannte, d. i. das Gefühl der Pflicht, als Grundlage der gesammten mora- lischen Existenz des Menschen. Damit öffnete sich der Weg zu allem, was im Geiste und in den Zielen des Menschen erhaben und wahrhaft göttlich ist. In neuerer Zeit gewinnt jedoch die Lehre des Pantheismus und Materialismus an Ausbreitung, eine Doktrin, welche alles wegleugnet, was die blosse Vernunft nicht begreift, und weder von einer persönlichen Existenz Gottes noch von einem moralischen Berufe der Menschheit etwas wissen will. Während die alte Lehre den Menschen zur Göttlichkeit zu erheben bemüht war, treibt ihn diese Schule geradezu in die Bestialität. Absoluter Egoismus ist ihr einziges Ziel, ihre einzige Realität. Sittlicher Adel, Pflichtgefühl, Selbstverleugnung und in Glaube, Hoffnung und Liebe basirende Opferwilligkeit werden für Thorheit gehalten; die Sehnsucht nach dem Idealen (nach den Worten Christi: „nach dem Reiche Gottes") gilt für thörichte Schwärmerei; die einzige Richtschnur, das einzige Muster der Thätigkeit sind „edle Raubthiertriebe," sonach Eigennutz, Wachsamkeit, Hinterlist und Gewalt. Leider kann man nicht in Abrede stellen, dass das von unsern siegreichen Nachbarn sowohl theoretisch als praktisch ge- predigte Losungswort „Macht geht vor Recht" (la force prime le droit) in unsern Tagen in immer weitern Kreisen Anklang findet und Europa nicht allein wieder in die Barbarei zurückzuwerfen, sondern auch binnen Kurzem mit einem nie gesehenen Blutmeere zu überschwemmen droht. Mich werden jedoch auch moderne Tschingischane und Ta- merlane nicht von dem dauernden Gedeihen ihres höllischen Werkes überzeugen können; dieses wird eben dorthin gelangen, wohin das Werk ihrer Vorgänger gerathen ist, und nur der Fluch der Nationen wird es vor der Vergessenheit bewahren. Diese meine Hoffnung gründe ich auf das aus der Weltgeschichte resultirende Zeugniss von dem Fortschritt des menschlichen Geistes; den Funken der Göttlichkeit, der in denselben versenkt wurde, kann keine wie iiffmer geartete Macht zur Gänze ersticken und vernichten; im Gegentheile, je eifriger die Gottlosen sich darum bemühen werden, ugi so lebhafter wird er das Dunkel unseres Zeitalters und künf- tiger Zeiten erhellen. Allerdings ist es nothwendig, dass die Mehrzahl der gutgesinnten Menschen die Hände nicht in den Schoss lege; Thätigkeit thut Noth und ein Kampf des Lichtes wider die Fin-
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Palacký's Politisches Vermächtniss
Titel
Palacký's Politisches Vermächtniss
Autor
František Palacký
Ort
Prag
Datum
1872
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
15.0 x 23.6 cm
Seiten
42
Kategorien
Dokumente Geschichte
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