Seite - 23 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
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sterniss, des Rechtes wider die Gewalt, der edlen Gesinnung wider
bestialische Triebe. Eine Bestätigung meiner Wahrheit ent-
nehme ich, von der Weltgeschichte und den Erscheinungen der-
selben abgesehen (da bei uns weder Ketzer noch Hexen u. ä. mehr
verbrannt werden), auch meiner eigenen Erfahrung. Noch vor fünfzig
Jahren pfiegte ich mit einem wohlgebildeten und edlen Manne
lange und hartnäckige Dispute zu führen, der da behauptete, die
Freiheit könne nirgend ohne Knechtschaft bestehen und dieser
letztern bedürfe ein jeder freie Staat, wobei er sich auf das Bei-
spiel der alten Griechen und Römer, auf die mittelalterlichen
Herren und Hörigea und auf die modernen demokratischen Sklaven-
hälter in Amerika berief, wogegen ich unbedingt in Abrede stellte,
dass dort, wo der eine als Herr und der andere als sein Knecht
das Licht der Welt erblicke, überhaupt von Freiheit und Recht
und nicht lediglich von Vorrechten, Privilegien, Usurpation und
Bedrückung die Rede sein könne. In unsern Tagen aber würde man
meines Dafürhaltens nicht einmal mehr in Amerika einen gebil-
deten Mann finden, welcher sich nicht schämen würde zu be-
haupten, dass ein Theil des Menschengeschlechtes als blosse
Sache oder käufliches Vieh (human cattle) geboren werden müsse,
damit der andere die freiheitlichen und Menschen-Rechte geniessen
könne. Der Fortschritt der Humanität, wenn auch nur ein lang-
samer Fortschritt, liegt hier zu Tage und kann weder übersehen
noch geleugnet werden. Darum höre ich auch mit Rücksicht auf
die gegenwärtige drangsalvolle Lage meines Volkes nicht auf,
zu rufen: der Himmel mag sich noch so sehr über unsern Häuptern
verdüstern, die Gottlosen (gleichviel, ob sie vor Altären knieen und
Kreuze schlagen) mögen noch so verwerfliche Mittel und Wege
behufs unserer Unterdrückung, Beschimpfung und zu unserer Qual
ersinnen: ich appellire, nicht an die Gewalt zur Abwehr der
Gewalt, sondern an die nahe Zukunft, in welcher bereits auch die
alten Heiden zu ihrem Tröste die unerbittliche Nemesis heran-
nahend erblickten. Allerdings höre ich auch nicht auf, einen jeden
> Guten zu ermahnen und zu bitten, ja zu beschwören, er möge sich
nicht der Unthätigkeit hingeben, sondern sich ausbilden, arbeiten
und sich aus allen Kräften bemühen, das Reich der Wahrheit und
Gerechtigkeit, wie er nur immer kann, auf Erden zu verbreiten
und zu befestigen.
Indem ich an dieser Ueberzeugung festhalte, muss ich doch
an dieser Stelle das aufrichtige Bekenntniss ablegen, dass ich gleich
beim Antritte meiner politischen Laufbahn im Jahre 1848 in einen
schweren und verhängnissvollen Irrthum verfiel. In der Begeiste-
rung der plötzlich gewonnenen Freiheit sah ich der Zukunft mit
mehr Vertrauen entgegen, als ich sollte; ich bedachte und erwog
nicht, dass die Menschen auch in grossen Krisen sich lieber von
Trieben und Leidenschaften, als von der Vernunft und der Wahrheit
leiten lassen, und dass daher zur erwünschten Lösung der damals
entstandenen internationalen Streitfragen eine blosse Darlegung der
Wahrheit und des Rechtes nicht genüge. Die menschlichen Ge-
schicke schlagen nicht immer den geraden Weg zu ihrem Ziele
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Buch Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Titel
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Autor
- František Palacký
- Ort
- Prag
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.0 x 23.6 cm
- Seiten
- 42
- Kategorien
- Dokumente Geschichte