Seite - 24 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
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ein, sondern sie bewegen sich oft auf blutigen Umwegen: allein
schliesslich erreichen sie doch ihr Ziel, wenn nicht heute, so doch
morgen; darum halten und harren wir aus! Jedermann wird ein-
sehen, dass wir mit Gewalt nichts Gutes erzielen würden. Wir
zählen 5 Millionen und sind beinahe von allen Seiten von Feinden
umgeben; zählten wir 50 Millionen und wären wir einig, dann
dürfte ich freilich nicht also sprechen. Mein Hauptfehler war —
ich sage es unverblümt — das Vertrauen, welches ich dem Ver-
stande und Rechtssinne des deutschen Volkes -entgegenbrachte.
Mein ehedem vielberufenes Wort: „Wäre Oesterreich nicht, so
müssten wir uns bemühen, es sobald als möglich zu schaffen4' —
wurde unter der Voraussetzung, ja mit dem festen Vertrauen aus-
gesprochen, dass in diesem Vereine freigewordener Völker fernerhin
die Gerechtigkeit walten werde und solle, da ich die Wahrheit
des Ausspruches „remota justitia, quid sunt regna, nisi magna
latrocinia?" welchen bereits der heil.' Augustinus (de civitate dei)
that, kannte. Konnte es mir denn unter der Regierung eines Mon-
archen, dessen Wahlspruch „Justitia regnorum fundamentum"
war, beifallen, dass unser altberühmtes Reich jemals im Sinne jenes
Ausspruches des heil. Augustinus umgewandelt werden könnte ? Wie
hätte ich in jenen festlichen Tagen der erneuerten Freiheit darauf
verfallen können, dass uns Slaven von den Deutschen an der Stelle
des Absolutismus eines Herrschers ein weit strengerer Absolutismus,
nämlich die Diktatur einer gegen uns feindselig gesinnten Race
beschieden werden soll? Wie so konnte denn vorausgesehen
werden, dass die gebildeten Deutschen von Freiheit und Konstitution
reden, und lediglich die Herrschaft der einen über die anderen
ins Werk setzen werden ? dass sie die Rechte der einzelnen Personen
in den Himmel erheben, aber die Rechte der Nationen mit den
Füssen treten werden? dass sie sonach das Gebäude ihres
Staatsrechtes auf Lüge und Unsinn begründen werden? dass sie
die Gleichberechtigung aller proklamiren, uns Slaven jedoch bloss
die Pflicht des Gehorsams zuerkennen werden? Thöricht war und
ist ihre Meinung, dass uns die eigene Nationalität nicht eben so
sehr ein theuerer Schatz sein werde, wie ihnen, und dass wir die Aus-
schliessung derselben aus dem öffentlichen Leben weder bedauern,
noch auch überhaupt fühlen werden; und jene niedrige Annahme,
dass die wenigen Brosamen und Abfälle vom deutschen Tische,
welche man uns gnädig zukommen lässt, für unseren Bedarf aus-
reichen werden, zeugt nur von thörichter Hoffart und Aufgebla-
senheit, keineswegs aber von Verstand und Rechtsgefühl.
Allein Hochmuth geht vor dem Fall! so pflegen die Deutschen
selbst zu sagen, und sie werden es seinerzeit erfahren, wenngleich
ich diese Zeit nicht mehr erlebe. Ueber die Ereignisse, welche
mich seit Langem aus meinem Irrthum schmerzlich herausrissen,
will ich mich nicht des Weitern auslassen. Ich lasse nun leider
auch selbst die Hoffnung auf eine dauernde Erhaltung des öster-
reichischen Staates fahren: nicht als ob derselbe nicht wünschens-
werth oder an und für sich unmöglich wäre, sondern deshalb, weil
den Deutschen und Magyaren gestattet wurde, 'sich der Herrschaft
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Buch Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Titel
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Autor
- František Palacký
- Ort
- Prag
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.0 x 23.6 cm
- Seiten
- 42
- Kategorien
- Dokumente Geschichte