Page - 45 - in Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny - Briefe 1938-1945
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2.2 Bedeutung fĂŒrBiografieundWerk
Die Briefe an Lotte Sweceny geben wenig Aufschluss ĂŒber die Genese
desRomans,wohlauch, weil diebeidenwÀhrendder Entstehungdes
Manuskripts nicht getrennt waren und Lernet sich bei Bedarf persönlich
mitLotteSwecenyaustauschenkonnte. Jedenfalls bliebdieBeziehung
zuLotteSweceny inMars imWidder nichtohneSpuren:DieForschung
ist sicheinigdarĂŒber,dassdie imBuchgeschildertenmilitĂ€rischenVor-
gÀnge sich imWesentlichenausdenTagebuchaufzeichnungenLernets
speisen, also ĂŒber weite Strecken autobiografisch sind.132 Es scheint
jedoch, dass auch andere HandlungsstrÀnge des Romans reale Vorbilder
haben; Clemens Ruthner etwa vermutet, â[...] dass Lernet nicht nur in
der literarischenNutzungseinesKriegstagebuchs, sondernauch inande-
renTextpassagen(wiedenWienerEpisoden)auf realeEreignisseund
Personenanspielt [...]â.133 InâvonderLektĂŒrederhierbehandelten
Briefe gestĂŒtzter â Kenntnis von Lernets persönlicher Situation vor dem
Ausbruchdes ZweitenWeltkriegs lÀsst sich dieseVermutungohneallzu
viel Spekulation bestÀtigen: Die Situation des Offiziers Wallmoden, der
geradedabei ist, zueinergeheimnisvollenFraueineBeziehungzuknĂŒp-
fen, die dann durch den Kriegsausbruch unterbrochen wird, Àhnelt sehr
derjenigen des Autors, der gerade ein engeres VerhÀltnis mit Lotte Swe-
ceny eingegangen war.134 Die Parallelen zwischen Maria Charlotte Stein
und âden beiden Cubasâ sind augenfĂ€llig: Auf die physiognomische Ăhn-
lichkeit wurde bereits hingewiesen (S.25) â Lottes blonde Haare finden
sichwiederbeider âechtenCubaâ, âAugenvondunkleremundhellerem,
132 MĂŒller-Widmeretwaschreibt: âBis inskleinsteDetail hat sichLernet-Holeniaanseine
Erinnerung und an sein Tagebuch angelehnt, aber auch in der Schilderung der grossen
militĂ€rischen Operationen hĂ€lt sich Lernet-Holenia ganz an die TagebĂŒcherâ (MĂŒller-
Widmer: Alexander Lernet-Holenia. GrundzĂŒge seines Prosa-Werks, S.46). Bereits Beer
hatte 1976 darauf hingewiesen, dass Lernet âfĂŒr die Schilderung des Aufmarsches
anDeutschlandsOstgrenze,derAngriffeaufPolen,desSiegesĂŒberdencouragierten
WiderstandseinerVerteidiger seineKriegstagebĂŒcherausgiebigverwendethatâ (Otto
F. Beer: Lernet im Mars. In: Thomas HĂŒbel/Manfred MĂŒller [Hrsg.]: Die Lust an der
Ungleichzeitigkeit [zuerst erschienenalsNachwort zu:AlexanderLernet-Holenia:Mars
im Widder. Phantastischer Roman. MĂŒnchen: dtv 1979, S. 157â161]. Wien: Zsolnay
1979,S.42â50,hierS.43).
133 Ruthner: Fatale Geschichte(n) im âZwischenreichâ, S.11. Letztlich kommt Ruthner
jedoch zu dem Schluss: âWirklich beweisen lĂ€sst sich die These, Mars im Widder sei ein
SchlĂŒsselroman,beimheutigenForschungsstand jedochnichtâ (ebd.).
134 Mithin hat auch die âVerknĂŒpfung der historischen Begebenheiten mit einer Liebes-
geschichteâ (MĂŒller-Widmer:AlexanderLernet-Holenia.GrundzĂŒge seinesProsa-Werks,
S.48),dieMĂŒller-WidmernochzudenââErfindungenâdesDichtersâ rechnenmusste, ein
realesVorbild.
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Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Title
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Subtitle
- Briefe 1938-1945
- Author
- Christopher Dietz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 468
- Categories
- Weiteres Belletristik