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3.2 Briefe1939
mandurchlebt, gut ist, –manwäre stets viel glücklicher, alsmanmeist
ist. Esgibt eigentlichnureinewirkliche,menschlicheSorge:dieZukunft
zuwissen.Dasbeschäftigte jaauchmichimmerwieder.Aberesgibtauch
noch einen andern, wahrscheinlich praktischeren und besseren Weg,
sichwohl zu fühlen:–es istdasVertrauen indieeigenePersönlichkeit
und inGott.
Ich glaube, die momentane Phase der Krise dauert, mit allen ihren
Ausläufern, nicht viel über den 15. November hinaus. Ich weiß auch
nicht, ob, bei einer Neuauflage der Spannungen, die Auseinandersetzun-
genkriegerischeseinwerden.Esgibt ja jetzt schonsoundsovielandres,
dasdurchdieEreignisseaufgestörtworden ist,wieder zuordnenund
zu beruhigen. Ich glaube, man wird sich also viel eher anderswo als auf
denSchlachtfeldernzubetätigenhaben. –|
Nochmals: es tut mir so leid, dass die Post so lange gebraucht hat. Ich
habe so viel an Dichgedacht, dass esmirnicht ganz leicht war, imFeld
zu sein. (Denn wenn man im Feld ist, soll man an niemanden denken
müssen.)EshatmichderGedankegequält, dass ichDichvielleichtnicht
wiedersehen wĂĽrde. Es ist mir aber alles auf der Welt daran gelegen
gewesen,Dichwiederzusehen.
Nun, au fond war ja dieser Krieg nicht eigentlich das, was man einen
Krieg nennt, und so waren, vorläufig, meine Chancen gute. Ich habe
einen schrecklichen Hass gegen die Polen davongetragen. Was diese
Menschengetanhaben,warvonAnfangbiszumEndeblöd,widerwärtig,
gemein,dumm, feigundhysterisch.Nurhinundwiederhat sicheiner
gefunden, der – allerdings gleichfalls sinnlos – Widerstand geleistet hat,
z.B. einen ehem. österr. Oberst, Wrania oder so ähnlich, bei Zamos´c´,
und ein paar seiner Offiziere, gleichfalls alte Diener. Aber ihre KĂĽhnheit
war zwecklos, und es war, praktisch, kein Heldentum, sondern eine
ungezogeneStörungdesAblaufsdiesesFeldzuges.
Meine Verwundung ist schon fast gut. Ich hoffe, ich kann Euch viel
erzählen.Schreibenkannmanes schwer, esnähmezuvielRaumweg.
Hier sind wir nun schon in der Etappe mit allen ihren verfluchten Ne-
benerscheinungen. Zwei Tage wohnte ich vorher in einem meiner – von
früher nochgeliebten –polnischen Bauernhäuser.Das warviel schöner.
Schreibtmirbald, liebeLotteundlieberO.C.DasLiebsteundSchönste
undBeste!
d.26.IX.1939.
N.
105
Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
Briefe 1938-1945
- Title
- Alexander Lernet-Holenia und Maria Charlotte Sweceny
- Subtitle
- Briefe 1938-1945
- Author
- Christopher Dietz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78887-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 468
- Categories
- Weiteres Belletristik