Page - 129 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2015
Image of the Page - 129 -
Text of the Page - 129 -
ALJ 1/2015 Völker- und europarechtliche Fragen des Beitritts Österreichs 129
über den LV im Nationalrat mit 151 „Ja“-Stimmen und 27 „Nein“-Stimmen die notwendige Zwei-
drittelmehrheit. Von Regierungsseite wurde jedoch eine derartige Volksabstimmung nicht für
notwendig erachtet, da der LV nicht in die Baugesetze der Bundesverfassung eingreife.5 2010
wies der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Antrag der FPÖ, wonach der LV einer Volksabstim-
mung zu unterwerfen sei, zurück, da die FPÖ nicht unmittelbar betroffen und aus der Verfassung
zwar ein Recht auf Teilnahme an einer Volksabstimmung, nicht aber ein Recht auf Durchführung
einer solchen abzuleiten sei.6
Der LV ist auch eher von einer Renationalisierung als von einer europäischen Zentralisierung
geprägt, da er den nationalen Parlamenten vermehrte Mitwirkungsrechte einräumt7, wie auch
schon allein das nunmehr gegebene Austrittsrecht ebenfalls zugunsten der Souveränität wirkt.
B. Außenpolitik
In allgemeiner Hinsicht steht die Führung einer eigenen Außenpolitik in einem Spannungsver-
hältnis zur Union, sowohl zur externen Aktivität im Bereich der Kommission (zB Außenwirt-
schaftsbeziehungen) als auch zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).
Im ersten Bereich verursachten die von Österreich früher abgeschlossenen bilateralen Abkom-
men, wie jene über den Flugverkehr8 oder auch im Bereich der Investitionen und der BIT9, einige
Probleme, die auch vor den EuGH gelangten. Wie immer diese Entscheidungen einzuordnen sind,
zeigen sie doch, dass der Gerichtshof bei jenen Themen, bei denen Grundelemente der Union,
wie zB die Freizügigkeit oder Kapitalverkehrsfreiheit, betroffen sind, der Außenpolitik der Union
Priorität einräumt, der sich die MS einschließlich Österreich zu unterwerfen haben.
Demgegenüber ist die sonstige außenpolitische Bewegungsfreiheit insofern größer, als in der
GASP bekanntermaßen nur sehr rudimentäre Ansätze einer Unionsaußenpolitik bestehen. Die
Gegenüberstellung von der Existenz der GASP und ihren Zielen mit den Erklärungen Nr 1310 und
1411, wonach die GASP der eigenen Außenpolitik der einzelnen MS nicht entgegensteht, verdeut-
licht das Dilemma der eigenen Außenpolitik der Union.
5 Siehe die Erläuterungen zum LV in RV 417 BlgNR 23. GP 45.
6 Beschluss vom 12. 6. 2010, GZ SV1/10.
7 Siehe zB das Protokoll (Nr 1) über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union sowie Protokoll
(Nr 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
8 Siehe EuGH 5. 12. 2002, C-475/98, Open Sky.
9 Siehe EuGH 9. 3. 2009, C-205/06, Bilaterale Investitionsabkommen.
10 „Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Konferenz unterstreicht, dass die Bestimmun-
gen des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ein-
schließlich der Schaffung des Amts des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Er-
richtung eines Auswärtigen Dienstes, weder die derzeit bestehenden Zuständigkeiten der MS für die Formulie-
rung und Durchführung ihrer Außenpolitik noch ihre nationale Vertretung in Drittländern und internationalen
Organisationen berühren. Die Konferenz erinnert außerdem daran, dass die Bestimmungen über die Gemein-
same Sicherheits- und Verteidigungspolitik den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik
der MS unberührt lassen. Sie hebt hervor, dass die EU und ihre MS nach wie vor durch die Bestimmungen der
Charta der Vereinten Nationen und insbesondere durch die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats und seiner
Mitglieder für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gebunden sind.“
11 „Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Zusätzlich zu den in Art 11 Abs 1 des Vertrags über
die Europäische Union genannten besonderen Regeln und Verfahren betont die Konferenz, dass die Bestim-
mungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich zum Hohen Vertreter der Union für Au-
ßen- und Sicherheitspolitik und zum Auswärtigen Dienst, die bestehenden Rechtsgrundlagen, die Zuständigkei-
ten und Befugnisse der einzelnen MS in Bezug auf die Formulierung und die Durchführung ihrer Außenpolitik,
ihre nationalen diplomatischen Dienste, ihre Beziehungen zu Drittländern und ihre Beteiligung an internationa-
len Organisationen, einschließlich der Mitgliedschaft eines MS im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, nicht
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 1/2015"
Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal