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ALJ 1/2015 Gerhard Hafner 130
Dieser Freiraum ist aber von den politischen Wahrnehmungen zu unterscheiden, da es Ăster-
reich unbenommen ist, im Lichte seiner Erfahrungen und Kenntnisse eigene Initiativen allein
oder in Kooperation mit anderen MS im Rahmen der GASP zu setzen. Innerhalb der AuĂenpolitik
können einzelne Problemfelder identifiziert werden, bei denen sich besondere Spannungen zur
Union herausbildeten.
1. NeutralitÀt
Eines der wesentlichsten auĂenpolitischen, in der Ăffentlichkeit thematisierten Probleme hinsicht-
lich des Beitritts zur EU bestand in der mit dem Bundesverfassungsgesetz ĂŒber die immerwĂ€hrende
NeutralitĂ€t aus dem Herbst 1955 begrĂŒndeten dauernden NeutralitĂ€t Ăsterreichs.12 Bekanntlich
hatte die Sowjetunion immer wieder die NeutralitÀt als rechtliches Hindernis eines NaheverhÀltnis-
ses zur EG gesehen.13 Es ist hier nicht der Ort, die Vielfalt der Wendungen des österreichischen
NeutralitÀtsverstÀndnisses wiederzugeben.14 Es sei lediglich festgehalten, dass die österreichische
Position der dauernden NeutralitÀt vor allem vor dem Hintergrund der AbhÀngigkeit von sowjeti-
schem Erdöl und Erdgas sowie einem ausgeweiteten NeutralitÀtsverstÀndnis zu erklÀren war.15
Jedenfalls hatte Ăsterreich nach Beendigung des Kalten Krieges die Gunst der Stunde genutzt, um
die damals noch bestehende Blockade des Beitritts zu ĂŒberwinden. Das von der Ăsterreichischen
Industriellenvereinigung initiierte Gutachten im Jahre 1987 verwies insbesondere auf die irische
Position, die irische ErklÀrung zur Einheitlichen EuropÀischen Akte (EEA) sowie auf die Schutzklau-
seln in den damaligen Art 223 und 224 EWGV. Die EuropÀische Politische Zusammenarbeit (EPZ)
selbst, die VorgÀngerin der GASP, galt aber nicht als mögliches Hindernis eines Beitritts. Eine Stel-
lungnahme des Bundesministeriums fĂŒr auswĂ€rtige Angelegenheiten (BMaA) vom 21. November
1988 bestĂ€tigt dies ausdrĂŒcklich und verweist auch darauf, dass die BeschlĂŒsse in der EPZ der Ein-
stimmigkeit unterlÀgen und sie eine Koordinierung im Bereich der militÀrischen Aspekte der
Sicherheit nicht betrÀfen.16
In dem im Jahre 1989 ĂŒberreichten Beitrittsansuchen erklĂ€rte Ăsterreich, dass es davon ausgehe,
dass die Mitgliedschaft bei den Gemeinschaften es nicht daran hindern werde, âdie ihm aus seinem
Status als immerwĂ€hrend neutraler Staat erflieĂenden rechtlichen Verpflichtungen zu erfĂŒllen und
seine NeutralitÀtspolitik als spezifischen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit
in Europa fortzusetzenâ17.
berĂŒhren. Die Konferenz stellt ferner fest, dass der Kommission durch die Bestimmungen zur Gemeinsamen
AuĂen- und Sicherheitspolitik keine neuen Befugnisse zur Einleitung von BeschlĂŒssen ĂŒbertragen werden und
dass diese Bestimmungen die Rolle des EuropÀischen Parlaments nicht erweitern. Die Konferenz erinnert au-
Ăerdem daran, dass die Bestimmungen ĂŒber die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik den beson-
deren Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der MS unberĂŒhrt lassen.â
12 BGBl 1955/211.
13 Vgl zB Hafner, Die permanente NeutralitĂ€t in der sowjetischen Völkerrechtslehre. Eine Analyse, ĂZöR 1969, 248 ff;
siehe zu diesem Abschnitt Hafner, Ăsterreich und die GASP: 10 Jahre Beteiligung, in Hummer/Obwexer (Hrsg), 10
Jahre EU-Mitgliedschaft Ăsterreichs. Bilanz und Ausblick (2006) 109 ff.
14 Siehe hiezu fĂŒr die frĂŒhere Zeit Strasser, Der Weg Ăsterreichs zu den VertrĂ€gen mit BrĂŒssel (1972); fĂŒr spĂ€ter vgl
zB Thun-Hohenstein/Cede/Hafner, Europarecht (2005) 10 ff; Scheich, Tabubruch. Ăsterreichs Entscheidung fĂŒr die
EuropÀische Union (2005) passim.
15 Siehe fĂŒr die AnsĂ€tze dazu schon in den 1980er Jahren Hafner, The Impact of Developments in the East European
âSocialistâ States on Austriaâs Neutrality, in Neuhold (Hrsg), The European Neutrals in the 1990s (1992) 175 f.
16 BMaA (Hrsg), Ăsterreichische AuĂenpolitische Dokumentation (JĂ€nner 1990) 32.
17 Mock, Der Brief nach BrĂŒssel an den PrĂ€sidenten des EG-Ministerrates Roland Dumas vom 17. 7. 1989.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal