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ALJ 1/2015 Völker- und europarechtliche Fragen des Beitritts Ăsterreichs 135
Sowohl in der Generalversammlung als auch im Sicherheitsrat wurde 2001 die Frage nach der
KompatibilitÀt von Zyperns Beitritt zur EU mit dieser Verpflichtung aufgeworfen. Dabei wurde
zugunsten Zyperns die Vereinbarkeit von Ăsterreichs Beitritt zur EU mit dem Anschlussverbot in
Art 4 des Staatsvertrags zitiert.44 Das Gegengutachten hielt mit der Behauptung dagegen, dass
das Anschlussverbot sehr wohl gegen das Beitrittsrecht spreche, doch die Staatsvertragsparteien
darauf verzichtet hÀtten, diese Rechtsverletzung geltend zu machen.45 Ein weiteres Gutachten
hielt dem wieder entgegen, dass der Verhandlungsverlauf des österreichischen Beitritts keinen
Anlass geboten hÀtte, eine UnvertrÀglichkeit des Beitritts mit Art 4 anzunehmen.46 Die Geschichte
lehrt aber, dass sich die österreichische Ansicht auch hinsichtlich Zyperns durchgesetzt hat.
3. Beteiligung an Sanktionen
Schon seit Beginn der Erörterungen eines Beitritts zur EU stellte sich die Frage einer Beteiligung
an Sanktionen, wobei jedoch auf die reichhaltige Praxis der österreichischen Beteiligung an Sank-
tionen der UN aufgebaut werden konnte.47 Verschiedene Szenarien wurden entwickelt, um die
Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit der NeutralitÀt beweisen zu können, wobei sich auch die
Frage stellte, ob eine Nichtbeteiligung zulÀssig sei. In dieser Hinsicht wurde auf das Beispiel der
EU-Sanktionen gegen Argentinien48 und die â zugegeben umstrittene â Ausgliederung Irlands und
Italiens aus der SanktionsverlÀngerung sowie die Frage des innerdeutschen Handels49 zur BestÀ-
tigung dessen verwiesen, dass eine derartige Nichtteilnahme möglich sei. In Ăsterreich wurde
diesbezĂŒglich auch auf den nunmehrigen Art 28 Abs 5 EUV verwiesen, der Ausnahmen mit Zu-
stimmung des Rates zulieĂe.
Soweit rein wirtschaftliche Sanktionen betroffen waren, rÀumte Art 23j B-VG nunmehr alle neutrali-
tÀtsrechtlichen Bedenken aus50, die mE von vornherein nur in Randbereichen bestanden51, so-
dass heute keine Schwierigkeiten mehr bestehen, sich an den Sanktionen zu beteiligen.
44 Siehe General Assembly Security Council A/52/481-S/1997/805 sowie General Assembly Security Council
A/51/951-S/1997/585 add.
45 General Assembly Security Council A/56/451-S/2001/953.
46 General Assembly Security Council A/56/723-S/2001/1222.
47 Hummer, Der internationale Status und die völkerrechtliche Stellung Ăsterreichs seit 1918, in Reinisch (Hrsg),
Ăsterreichisches Handbuch des Völkerrechts I (2013) 722 ff.
48 VO (EWG) 877/82 des Rates vom 16. 4. 1982 zur Aussetzung der Einfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in Argen-
tinien, ABl L 1982/102, 1; VO (EWG) 1176/82 des Rates vom 18. 5. 1982 zur VerlÀngerung der Aussetzung der Ein-
fuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in Argentinien, ABl L 1982/136, 1; VO (EWG) 1254/82 des Rates vom 24. 5. 1982
zur VerlÀngerung der Aussetzung der Einfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in Argentinien, ABl L 1982/146, 1.
49 Siehe Protokoll ĂŒber den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhĂ€ngenden Fragen, http://www.euro-
parl.europa.eu/brussels/website/media/Basis/Vertraege/Pdf/EWGV-Protokoll-innerdeutsch.pdf (abgefragt am
13. 3. 2015).
50 Art 23j B-VG lautet: â (1) Ăsterreich wirkt an der Gemeinsamen AuĂen- und Sicherheitspolitik der EuropĂ€ischen
Union auf Grund des Titels V Kapitel 1 und 2 des Vertrags ĂŒber die EuropĂ€ische Union in der Fassung des Ver-
trags von Lissabon mit, der in Art. 3 Abs. 5 und in Art. 21 Abs. 1 insbesondere die Wahrung beziehungsweise
Achtung der GrundsĂ€tze der Charta der Vereinten Nationen vorsieht. Dies schlieĂt die Mitwirkung an Aufgaben
gemÀà Art. 43 Abs. 1 dieses Vertrags sowie an MaĂnahmen ein, mit denen die Wirtschafts- und Finanzbeziehun-
gen zu einem oder mehreren DrittlÀndern ausgesetzt, eingeschrÀnkt oder vollstÀndig eingestellt werden. Auf Be-
schlĂŒsse des EuropĂ€ischen Rates ĂŒber eine gemeinsame Verteidigung ist Art. 50 Abs. 4 sinngemÀà anzuwenden.
(2) FĂŒr BeschlĂŒsse im Rahmen der Gemeinsamen AuĂen- und Sicherheitspolitik der EuropĂ€ischen Union auf
Grund des Titels V Kapitel 2 des Vertrags ĂŒber die EuropĂ€ische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon
gilt Art. 23e Abs. 3 sinngemĂ€Ă. (3) Bei BeschlĂŒssen ĂŒber die Einleitung einer Mission auĂerhalb der EuropĂ€ischen
Union, die Aufgaben der militĂ€rischen Beratung und UnterstĂŒtzung, Aufgaben der KonfliktverhĂŒtung und der Er-
haltung des Friedens oder KampfeinsĂ€tze im Rahmen der KrisenbewĂ€ltigung einschlieĂlich Frieden schaffender
MaĂnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten umfasst, sowie bei BeschlĂŒssen ge-
mÀà Art. 42 Abs. 2 des Vertrags ĂŒber die EuropĂ€ische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon betreffend
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal