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ALJ 1/2015 Die DurchfĂĽhrung von Unionsrecht 149
ständigkeit sei, was auch im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens wegen Fristüberschrei-
tung der Umsetzung der Kommission mitgeteilt wurde.
Was dann folgte, war jedoch eine immer öfter vorkommende Vorgangsweise, gerade bei inhalt-
lich komplexen und umfassenden Richtlinien: Die Kommission lagerte die Erhebung des genauen
Umsetzungsbedarfs an Rechtsanwaltskanzleien oder sonstige Einrichtungen des Mitgliedstaates
aus, und so war mit der begrĂĽndeten Stellungnahme im Verfahren klar, dass sowohl seitens des
Bundes als auch durch die Länder zusätzliche Umsetzungsmaßnahmen erwartet wurden.
So wuchsen während des Vertragsverletzungsverfahrens der Anwendungsbereich und die Breite
der Umsetzung von anfangs 7 bis 8 Gesetzen und Verordnungen auf mittlerweile 185 Gesetze
und Verordnungen von Bund und Ländern an, die als Umsetzungsmaßnahmen der Richtlinie
gemeldet wurden.
4. Die Anwendung des Art 260 Abs 3 AEUV im föderalen Kontext
Art 260 Abs 3 AEUV ermöglicht es der Kommission, in Vertragsverletzungsverfahren, deren Ge-
genstand die „Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen von Richtlinien“ innerhalb der vorge-
sehenen Frist ist, zugleich mit der Klage auch ein BuĂźgeld zu beantragen; die Kommission hat
auch bald nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in einer Mitteilung26 deutlich ge-
macht, dass sie dies grundsätzlich tun wird, woran sie sich in der Praxis auch hält. In diesen Fäl-
len dient daher das Bußgeld nicht – wie es eigentlich der Systematik entspricht – der Absicherung
der Umsetzung von Urteilen gemäß Art 258 AEUV durch ein eigenes Verfahren, sondern setzt in
Fällen eines evidenten Verstoßes – die nicht fristgerechte Richtlinienumsetzung – schon früher
an. Die Kommission begnügt sich aber, ihrer Mitteilung folgend, damit, in diesen Fällen nur ein
Zwangsgeld ab dem Tag des Urteils im Vertragsverletzungsverfahren zu verhängen, was auch
dem Beugecharakter von Art 260 AEUV – anstelle eines pönalisierenden Charakters – besser
entspricht.
Diese Verschärfung des Umgangs mit Vertragsverletzungen und insbesondere mit der drohen-
den Verhängung von Bußgeldern ist für die Länder von besonderer Bedeutung, da zu Bußgeldern
grundsätzlich der Mitgliedstaat verurteilt wird; allerdings kann der Bund diese Kosten gemäß § 3
Abs 2 FAG 2008 von den verursachenden Ländern zurückfordern27 – diese Bestimmung geht auf
die Art 15a B-VG-Vereinbarung von 1992 zurĂĽck. Noch gab es keine derartigen BuĂźgeldurteile
gegen Ă–sterreich; zu beobachten ist allerdings eine deutliche Beschleunigung von BuĂźgeldver-
fahren allgemein und die Anwendung von Art 260 Abs 3 AEUV im Besonderen.
Art 260 Abs 3 AEUV erfasst dem Wortlaut nach nur die Nichtumsetzung bzw eine nicht vollständi-
ge Umsetzung. Daher ist auf den ersten Blick der Fall einer „Schlechtumsetzung“ – ein Mitglied-
staat hat also eine vollständige Umsetzung gemeldet, diese sei allenfalls nicht korrekt – davon
nicht betroffen.
Im Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG ist genau diese Frage
aufgetreten.
26 Mitteilung der Kommission – Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV, ABl C 12 vom 15. 1. 2011.
27 Vgl Posch/Riedl in Mayer/Stöger (Hrsg) EUV/AEUV, Art 260 (2013) Rz 113.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal