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ALJ 1/2016 Erlebt Schengen eine âRenaissanceâ oder geht es unter? 15
reist.73 Zweitens muss der Politik des Durchwinkens ein Ende gesetzt werden, die mit den âSchen-
gen- und Dublinâ-Regeln unvereinbar ist, Anreize zur SekundĂ€rmigration schafft und letztlich
auch die Umverteilungsregelungen unterlÀuft. Die Politik des Durchwinkens hat auch zu einem
dramatischen Anstieg in der BenĂŒtzung sowohl der Westbalkanroute als auch der ĂgĂ€isroute
gefĂŒhrt. Drittens mĂŒssen die derzeit unkoordinierten einseitigen Entscheidungen zur Wiederein-
fĂŒhrung von Grenzkontrollen durch ein koordiniertes Verfahren fĂŒr vorĂŒbergehende Grenzkontrollen
ersetzt werden, um in der Folge â mit dem klaren Zieldatum Dezember 2016 â alle Binnengrenz-
kontrollen so schnell wie möglich aufzuheben. Wie vorstehend bereits erwĂ€hnt, wĂŒrde der Schen-
gener Grenzkodex (2016) in seinem Art 29 Abs 2 ausdrĂŒcklich ein solches koordiniertes Verfahren
auf der Basis einer Empfehlung des Rates vorsehen.74
Was die Einhaltung des âDublinâ-Systems zur Bestimmung des Erstasyllandes betrifft, so muss
dieses, im Einklang mit der Empfehlung der Kommission vom 10. 2. 201675, unter uneinge-
schrÀnkter Beteiligung Griechenlands schrittweise wiederhergestellt werden. Dabei gestattet es
die Dublin III-Verordnung, eine Person, die um internationalen Schutz ansucht, in einen sicheren
Drittstaat zurĂŒck- oder auszuweisen, unabhĂ€ngig davon, ob es sich um den fĂŒr die Bearbeitung
des Asylantrags zustÀndigen Mitgliedstaat oder einen anderen Mitgliedstaat handelt.76 Gleichzeitig
mĂŒssen die Dublin-Vorschriften im Hinblick auf die angestrebte SolidaritĂ€t und faire Lastenvertei-
lung zwischen den Mitgliedstaaten verbessert werden. Die seit September 2015 bestehenden
Notfall-Umverteilungsmechanismen mĂŒssen zu konkreten Ergebnissen fĂŒhren, dh dass eine
betrÀchtliche Zahl von Personen aus Griechenland auf andere Mitgliedstaaten verteilt werden
muss, und Personen, die kein Bleiberecht in der EU haben, effektiv rĂŒckgefĂŒhrt werden mĂŒssen.77
In Konkretisierung der Zielsetzungen ihres âFahrplansâ schlug die Kommission in der Folge eine
Reihe von MaĂnahmen vor, die vor ihrer definitiven Beschlussfassung vor allem in der europĂ€i-
schen Ăffentlichkeit vertieft diskutiert werden sollen.
IX. Reform des âGemeinsamen EuropĂ€ischen Asylsystemsâ und
Erleichterung legaler Wege nach Europa
Aufbauend auf der vorerwĂ€hnten âEuropĂ€ischen Migrationsagendaâ vom 13. 5. 201578, die bisher
bereits durch drei MaĂnahmenpakete umgesetzt wurde, stellte die Kommission am 6. 4. 2016
ihre ersten Reformideen sowohl (a) fĂŒr eine humanere und wirksamere Gemeinsame EuropĂ€i-
sche Asylpolitik als auch (b) fĂŒr eine besser gesteuerte legale Zuwanderung in die EU und eine
wirksamere Integration der Migranten vor.79
73 European Commission, Managing the refugee crisis. EU-Turkey Joint Action Plan: Implementation Report (2016) 1.
74 Siehe dazu vorstehend auf 13 f; vgl dazu auch Rieder, Schengen und die AuĂengrenzen. Die nicht gezogenen
Lehren der Schengen-Reform 2013, ĂGfE Policy Brief 5â2016, 6 ff.
75 Empfehlung der Kommission an die Hellenische Republik zu den SofortmaĂnahmen, die von Griechenland im
Hinblick auf die Wiederaufnahme der Ăberstellungen nach der VO (EU) 604/2013 zu treffen sind; C(2016) 871 vom
10. 2. 2016.
76 Vgl auch das Urteil des EuGH 17. 3. 2016, C-695/15 PPU, Shiraz Baig Mirza/BevĂĄndorlĂĄsi Ă©s ĂllampolgĂĄrsĂĄgi Hivatal,
ECLI:EU:C:2016:188.
77 COM(2016) 120 final, 2 f.
78 Vgl oben Fn 8.
79 COM(2016) 197 final vom 6. 4. 2016; vgl EuropÀische Kommission, Pressemitteilung IP/16/1246 vom 6. 4. 2016;
EU-Kommission schlÀgt Reform des EuropÀischen Asylsystems vor; abrufbar unter: https://ec.europa.eu/germany/
news/eu-kommission-schl%C3%A4gt-reform-des-europ%C3%A4ischen-asylsystems-vor (26. 4. 2016).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2016
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 110
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal