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ALJ 1/2016 Matthias ZuĂner 59
hĂ€ltnismĂ€Ăige Eingriffe [âŠ] verbiete[n], also Eingriffe, die zum Gewicht des Eingriffszieles auĂer
VerhĂ€ltnis stehenâ.124 Soweit ein solcher unverhĂ€ltnismĂ€Ăiger Eingriff nicht vorliegt, bleibt der
Eingriff rechtmĂ€Ăig und die entsprechende (fehlerfreie) AbwĂ€gung entgegenstehender Interes-
sen damit Aufgabe der Verwaltung125 (arg âBeschwerde [âŠ] wegen Rechtswidrigkeitâ126). Wenn
der VwGH im starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverfahren unter einer GefÀhrdung des
Eigentumsrechts oder sonstigen dinglichen Rechts nicht gleich eine jede Minderung des Verkehrs-
wertes, sondern umgekehrt sogar nur eine Substanzvernichtung oder den Verlust der Verwert-
barkeit versteht,127 erkennt der VwGH die Achtung der Kontrollfestigkeit jenes Spielraumes, den
die erforderliche AbwÀgung der Behörde hier bis zum Erreichen des Grades der UnverhÀltnismÀ-
Ăigkeit belĂ€sst, in der Sache ĂŒbrigens auch selbst an. Umso mehr muss damit im Ergebnis
schlieĂlich aber auch die Abstimmung des Projektes im Rahmen der Auflagenverteilung128 mit
anderen, in den BewilligungstatbestĂ€nden angefĂŒhrten, ausschlieĂlich öffentlichen Interessen
ein Ermessen der Behörde nach sich ziehen, das von den VwG nur dann beanstandet bzw auch
im Rahmen einer Sachentscheidung bloà dann korrigiert werden darf,129 wenn der Behörde Fehler
bei der ErmessensĂŒbung vorgeworfen werden können.
V. Fazit
Anders als der VwGH annimmt, rÀumen die Bau- und BetriebsbewilligungstatbestÀnde der Stark-
stromwegerechtsG der Behörde sehr wohl ein beanstandungsresistentes, wenn fehlerfrei geĂŒbtes
Ermessen ein. Zwar hat die Starkstromwegerechtsbehörde bei Vorliegen aller Tatbestandsvo-
raussetzungen die Bewilligung ohne Frage zu erteilen. Nur weil man der Behörde keine gesetzlich
vordefinierten Handlungsoptionen im Rechtsfolgenbereich einer Norm bereitstellt, heiĂt das
aber nicht, dass das Vorliegen eines allfÀlligen Ermessens schon per se ausgeschlossen ist. Die
Normstruktur stellt kein geeignetes Kriterium dar, die Abgrenzung von Letztentscheidungskom-
petenzen zwischen der Verwaltung und der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorzunehmen. Vor dem
Hintergrund des Art 130 Abs 3 B-VG kommt es vielmehr auf die EinrÀumung eines Ermessens
durch das Gesetz selbst an. Jedenfalls wenn sich eine Intention des Gesetzgebers nachweisen
lĂ€sst, allenfalls auch durch RĂŒckgriff auf funktionale Argumente, lĂ€sst sich ein Ermessen auch
abseits des Rechtsfolgenbereichs einer Norm begrĂŒnden. Wie gezeigt worden ist, sprechen
gerade funktionale Argumente dafĂŒr, nicht nur hinsichtlich der AbwĂ€gung mit Individualinteres-
sen sowie bei der Abstimmung des eingereichten Projektes mit anderen öffentlichen Interessen
im Rahmen der Auflagenerteilung, sondern gerade schon bei der Feststellung des öffentlichen
Versorgungsinteresses von einem Ermessen der Starkstromwegerechtsbehörde auszugehen. Die
Wertung, die gerade mit der letzteren AbwÀgung verbunden ist, weist nÀmlich auch enorme
(energie-)politische Implikationen auf, die ein Verwaltungsgericht wohl weder verfolgen, noch
selbst verantworten sollte.130
124 Pöschl, Entwicklungstendenzen der migrationsrechtlichen Judikatur, in Rechtsfragen der Migration und Integration â
6. Grazer FakultÀtstag (2008) 103 (112 f).
125 Siehe zu diesem Aspekt, wenn auch vor dem Hintergrund des Art 8 EMRK, nochmals aaO 112 f.
126 Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG.
127 VwGH 9. 10. 2014, 2013/05/0078; siehe aber auch schon Neubauer/Onz/Mendel, Starkstromwegerecht § 7 StWG
Rz 86.
128 Oben Kapitel III.C.
129 Dazu schon oben FN 97.
130 Vgl dazu sinngemĂ€Ăe, aber allgemeinere Gedanken von Merli in Holoubek/Lang 72 f.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2016
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 110
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal