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ALJ 2018 Christoph Kronthaler 45
§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG möchte verhindern, dass nahezu das gesamte Zinsänderungsrisiko auf den
Verbraucherkreditnehmer überwälzt wird. Es ist also ein bestimmter wirtschaftlicher Erfolg, der
verpönt ist und verhindert werden soll. Teleologisch betrachtet ist es nun aber vollkommen
gleichgültig, ob ausdrücklich ein Mindestsollzinssatz vereinbart wird oder der vom Kreditnehmer
zu zahlende Zinssatz bloß in zwei Teile aufgespalten wird. Das Resultat ist immer dasselbe: Der
Kreditnehmer soll einen Mindestzins bezahlen.
Damit steht mE außer Frage, dass die Aufspaltung des Sollzinssatzes wegen Gesetzesumgehung
gegen § 879 Abs 1 ABGB verstößt, weil ansonsten der Normzweck von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verei-
telt würde. Die Rechtsfolge entspricht jener, die bei einer extensiven Auslegung von § 6 Abs 1 Z 5
KSchG eintritt: Teilnichtigkeit und Ersetzung der nichtigen durch eine hypothetische Zinsgleitklau-
sel.
C. Festsetzung der Obergrenze
Bislang finden sich in der Literatur zwei Vorschläge zur Festsetzung der Zinsobergrenze beim
Verbraucherkredit. Leupold143 erachtet eine „streng symmetrisch ausgestaltete zweiseitige Begrenzung
des Zinses“144 für notwendig. Demgegenüber wollen Ch. Rabl145, Haghofer146 und G. Graf147 auf die
„Barwertmethode“ zurückgreifen.
1. Arithmetisch bestimmte Obergrenze
Wollte man die Unter- und Obergrenze des Sollzinssatzes, wie Leupold148 vorschlägt, „streng sym-
metrisch“ bestimmen, bliebe die Eintrittswahrscheinlichkeit künftiger Zinsänderungen zur Gänze
unberücksichtigt.149 Eine rein arithmetisch bestimmte Obergrenze könnte uU in Konflikt mit dem
Gebot der sachlichen Rechtfertigung in § 6 Abs 1 Z 5 KSchG geraten. Daran wäre vor allem dann
zu denken, wenn sinkende Referenzzinsen nach aller Erfahrung außerordentlich wahrscheinlich
erscheinen. In diesem Fall könnte ein findiger Kreditgeber die Untergrenze gezielt „besonders
hoch“ ansetzen. Das Symmetriegebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verlangte im Gegenzug zwar einen
„besonders niedrigen“ Höchstzinssatz, damit könnte ein Kreditgeber, der etwa aufgrund eines
globalen Wirtschaftsabschwungs mit einer anhaltenden Niedrigzinsphase rechnet, aber wohl
sehr gut leben.
2. „Barwertmethode“
Die „Barwertmethode“ berücksichtigte dagegen die unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkei-
ten von Veränderungen des Referenzzinssatzes aufgrund der herrschenden Marktgegebenhei-
ten; ihr zugrunde liegt die Erwägung, dass hinter der Vereinbarung einer Unter- und Obergrenze
letztlich ein Leistungsaustausch steht: Der Kreditnehmer erhält für die Untergrenze eine „Prämie“
und muss für die Obergrenze eine „Gebühr“ bezahlen.150
143 VbR 2015, 84.
144 Hervorhebung durch den Verfasser.
145 ÖBA 2017, 354 ff.
146 Zur Wirksamkeit von Mindestverzinsungsklauseln, ecolex 2017, 291 (293).
147 ZFR 2017, 373 f.
148 VbR 2015, 84.
149 Darauf weist insb G. Graf, ZFR 2017, 373, mit Recht hin.
150 Vgl Ch. Rabl, ÖBA 2017, 354.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 68
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal