Page - 19 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2019
Image of the Page - 19 -
Text of the Page - 19 -
ISSN: 2409-6911
(CC-BY) 4.0 license
www.austrian-law-journal.at
DOI:10.25364/01.6:2019.1.2
Fundstelle: Zoppel, Die Entlastungswirkung der hypothetischen Kausalität bei einer Unterlassung, ALJ
2019, 19–36 (http://alj.uni-graz.at/index.php/alj/article/view/129).
Die Entlastungswirkung der hypothetischen Kausalität bei
einer Unterlassung
Moritz Zoppel,* Wien
Kurtzext: Die Kausalität wird im Schadenersatzrecht häufig mit der Hilfe von Annahmen
geprüft. Ob diese Hypothesen für den Schädiger entlastend und damit haftungsbefreiend
wirken können, ist seit langem umstritten. Das zeigt der Meinungsstand zur bekanntesten
Form der hypothetischen Verursachung, der überholenden Kausalität. Weniger Beachtung
wurde hingegen der – ebenso auf Annahmen aufbauenden – Kausalitätsprüfung einer Un-
terlassung geschenkt. Nach einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes soll
dabei selbst das fiktive haftungsbegründende Verhalten eines hypothetischen Dritten den
realen Schädiger von seiner Haftung befreien. Die Entscheidung wird zum Ausgangspunkt
genommen, um die hypothetische Kausalität der Unterlassung näher zu untersuchen.
Schlagworte: Kausalität; überholende Kausalität; Unterlassung; rechtmäßiges Alternativ-
verhalten; Schadensberechnung; Entlastungswirkung; conditio sine qua non
I. Einleitung
Kann sich ein Schädiger gegenüber dem Geschädigten darauf berufen, dass der Schaden ohnehin
in der Zukunft eingetreten wäre? Soll es dem A, der den Hund des B vergiftet hat, möglich sein,
einer Haftung zu entgehen, weil C, noch bevor das tödliche Gift des A gewirkt hätte, das Tier er-
schießt? Ist C verantwortlich, obwohl der Hund auch ohne sein Zutun am Gift des A gestorben
wäre?1
Schwierigkeiten bei der Lösung von Rechtsproblemen mit hypothetischen Ursachen sind altbe-
kannt.2 Nicht zuletzt die juristische Diskussion zu den Folgen von fehlerhaften Anlageberatungen
hat gezeigt, dass der Problemkreis auch fernab von theoretischen Lehrbuchbeispielen von großem
Interesse sein kann.3 Besonders die Frage nach der Entlastungswirkung eines bloß hypothetischen
* Dr. Moritz Zoppel, LL.M. (Cambridge) ist Senior Lecturer am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der WU Wien.
1 Heck, Grundriß des Schuldrechts (1929) 48; F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung nach deutschem
und österreichischen Recht (1964) 74 ff, 102; Deutsch, Haftungsrecht: Erster Band: Allgemeine Lehren (1976) 167
ff, 170 f; Gebauer, Hypothetische Kausalität und Haftungsgrund (2007) 1, 3, 14 zeigt, dass das klassische Lehrbuch-
beispiel sehr deutlich an verschiedene Digestenstellen angelehnt ist.
2 Siehe dazu bereits Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse (1855) 145 f; 155 FN 16; von Caemmerer, Das Problem
der überholenden Kausalität im Schadenersatzrecht (1962) 3; Spindler, Kausalität im Zivil- und Wirtschaftsrecht,
AcP 208 (2008) 283.
3 Könnte etwa nachgewiesen werden, dass der Anleger eine hypothetische Investition getätigt hätte, die ebenso wie
die reale Investition zu einem Verlust geführt hätte, soll es nach manchen zu einer Schadensminderung oder gar
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 1/2019"
Austrian Law Journal
Volume 1/2019
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2019
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 126
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal