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ALJ 2019 Moritz Zoppel 24
durch hypothetische KausalitĂ€t sollte fĂŒr die angesprochenen KausalitĂ€tsfiguren deshalb nach
denselben Kriterien beantwortet werden. Dieser Gleichlauf der Wertungen wird zwischen ĂŒberho-
lender KausalitĂ€t und rechtmĂ€Ăigem Alternativverhalten von der ĂŒberwiegenden Ansicht aner-
kannt.30 In Anbetracht der engen VerknĂŒpfung von rechtmĂ€Ăigem Alternativverhalten und Kausa-
litÀt der Unterlassung31 liegt es nahe, auch diese Konstellationen unter denselben Wertungsaspek-
ten zu lösen. Selbstredend darf dabei der Blick auf die gezeigten Differenzen, den Zweck der ĂŒber-
tretenen Norm und das KausalitÀtskonzept der Conditio sine qua non Formel nicht durch das Stre-
ben nach Wertungseinheit abschweifen.32
IV. Lösungen des Problems der hypothetischen KausalitÀt
A. Ăberholende KausalitĂ€t
1. Problemaufriss
Die Reichweite der eingangs beschriebenen Entlastungswirkung ist zwar bei der ĂŒberholenden
KausalitĂ€t heftig umstritten, anders als die KausalitĂ€tsprĂŒfung der Unterlassung, stand jedoch die
ĂŒberholende KausalitĂ€t fĂŒr Jahre im Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion.33 Aufgrund der
intensiven BeschÀftigung der Lehre und Rechtsprechung mit diesem KausalitÀtsproblem eignet sie
sich als Referenzmodell. Die angesprochenen Grundwertungen, die auch fĂŒr die KausalitĂ€tsprĂŒ-
fung bei der Unterlassung strukturbildend sind, können hier gut kenntlich gemacht werden.
Bei der ĂŒberholenden KausalitĂ€t fĂŒhrt ein Ereignis den Schaden real herbei, den spĂ€ter ein anderes
Ereignis ebenfalls verursacht hÀtte.34 Der Schaden wÀre demnach ohnehin eingetreten, weil eine
hypothetische Ursache zum Tragen gekommen wĂ€re.35 Der Unterschied zwischen der ĂŒberholen-
den und der, mit ihr oft verglichenen, kumulativen KausalitÀt besteht allein im Zeitmoment.36 WÀh-
rend bei der kumulativen KausalitÀt beide Ereignisse den Schaden im selben Zeitpunkt herbeige-
fĂŒhrt haben, löst bei der ĂŒberholenden KausalitĂ€t das erste Ereignis den Schaden aus, das zweite
Ereignis hÀtte aber spÀter denselben Schaden verursacht, wenn das erste nicht zuvorgekommen
ĂŒberholenden KausalitĂ€t zu zĂ€hlen; Geroldinger, Der mutwillige Rechtsstreit 111 betont eine enge Verwandtschaft,
befĂŒrwortet aber dennoch eine Trennung.
30 Koziol, HPR I3Rz 8/69; ders, Grundfragen des Schadenersatzrechts 5/125 f, 7/29 f; ders, RechtmĂ€Ăiges Alternativ-
verhalten â Auflockerung starrer LösungsansĂ€tze, in FS Deutsch (1999) 179. Koziol geht daher konsequenterweise
fĂŒr den Bereich des rechtmĂ€Ăigen Alternativverhaltens von einer Schadensteilung aus; vgl auch Karollus, Schutz-
gesetzverletzung 391 f; Gebauer, Hypothetische KausalitÀt 221 ff; Riss, JBl 2004, 423 (430 ff); NiederlÀnder, JZ 1959,
618; siehe aber Reischauer in Rummel, ABGB3 §1302 Rz 14a, der die Unterschiede zwischen rechtmĂ€Ăigem Alter-
nativverhalten und ĂŒberholender KausalitĂ€t betont.
31 Dazu Koziol in FS Deutsch 179 (181); Karollus, Schutzgesetzverletzung 392 f.
32 Vgl nur Deutsch, Haftungsrecht/I 125 ff.
33 Siehe bereits den Ăberblick bei Deutsch, Haftungsrecht/I 168.
34 Karner in KBB5 §1302 Rz 9.
35 Vielfach wird aufgezeigt, dass in Wahrheit zwei hypothetische Ursachen bestehen. So etwa Schobel, JBl 2002, 771,
insbesondere FN 9: konkret zu OGH 22.3.2001, 4 Ob 47/01t: Es lÀgen zwei hypothetische Ursachen vor, die jeweils
den Schaden verursacht hÀtten, wenn es an der anderen Ursache gefehlt hÀtte; Apathy in FS Koziol 515; aA Wen-
dehorst, Ausgleich und Anspruch 77 ff die, im Einklang mit der wohl hA in Deutschland, einen realen Schadensbe-
griff vertritt.
36 F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 68; diesen Umstand erklÀrend Reischauer in Rummel, ABGB3
§1302 Rz 14. Er geht davon aus, dass schon der Standpunkt, dass ein bloĂer Zeitunterschied eine Differenzierung
der Haftung bei kumulativer und hypothetischer KausalitĂ€t nicht rechtfertigen könne, zu einer âschablonenhaften
Betrachtungâ fĂŒhre.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2019
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2019
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 126
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal