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ALJ 2021 S.-F. Kraus 2
I. Die gesetzliche Ausgangslage (§§ 45, 46 ABGB)
Das ABGB widmet dem Verlöbnis zwei Paragraphe. Diese Paragraphe sind seit dem In-Kraft-
Treten des ABGB im Jahr 1811 unverändert. § 45 ABGB ordnet an, dass das Verlöbnis keine
rechtliche Verbindlichkeit begründet, mithin weder zur Eheschließung noch zur Leistung des
auf den Rücktrittsfall Bedungenen. Daran anschließend stellt § 46 ABGB allerdings klar, dass
derjenige, von dessen Seite keine gegründete Ursache zum Rücktritt vom Verlöbnis
entstanden ist, einen Anspruch auf den wirklichen Schaden hat, den er aus einem Rücktritt
vom Verlöbnis erleidet.
II. Entstehungsgeschichtliches zur Regelung des Verlöbnisses im
Überblick
Für diese Rechtswirkung des Verlöbnisses war entstehungsgeschichtlich4 die Regierungszeit
von Josef II. prägend. Sie markiert nämlich den Punkt, an dem sich der Gesetzgeber von der
Einklagbarkeit der Eheschließung aus dem Verlöbnis zu ihrer Unerzwingbarkeit wandte:5
Nach der Darstellung Harrasowskys6 sollte die Kommission zur Beratung des Entwurfs
Horten Vorschläge zur Beseitigung des Zwangs zur Einhaltung von Verlöbnissen erstatten.
Hortens Vorschläge waren, entweder jede Wirkung des Verlöbnisses zu beseitigen oder
lediglich dem förmlichen Eheversprechen die alte Verbindlichkeit zu erhalten.7 Die Mehrheit
befürwortete zunächst, jeden direkten Zwang zum Einhalten des Eheverlöbnisses
auszuschließen. Bei einem schriftlichen oder vor zwei Zeugen gegebenen Verlöbnis sollte
jedoch die Vereinbarung eines Reugelds für den Fall des Rücktrittes zugelassen und der
schuldtragende Teil zum Ersatz des Schadens verpflichtet werden, den der Verlöbnisbruch
verursacht.8 Im Staatsrat setzte sich aber Hatzfeld mit der Einstellung gegen die
Verbindlichkeit des Verlöbnisses durch. Daraufhin erging die Resolutio augustissima von
Laxenburg, die als sogenanntes „Verlöbnispatent“9 in Kraft trat.10 Das Verlöbnispatent
erklärte alle „Eheversprechen“ für „gänzlich aufgehoben“. Für künftige Verlöbnisse bestimmte
das Verlöbnispatent, dass sie „weder eine Verbindlichkeit zur Eheschließung nach sich ziehen,
noch auch sonst die mindeste rechtliche Wirkung haben.“11 Die Bestimmungen Erstens bis
4 Die Geschichte des Verlöbnisrechts war bereits öfters Gegenstand von Erörterungen (s insb Krasnopolski, Der
Verlöbnisbruch im österreichischen Recht, GZ 1904, 379 [382 ff], 388, 395; Demelius, Zur Geschichte des Eheversprechens
nach österreichischem Recht, JBl 1948, 277 [passim]; aus der jüngeren Lit auch zB Oberhofer, Setzt der
Schadenersatzanspruch wegen Rücktrittes vom Verlöbnis Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus? ÖJZ 1994, 433 [434 ff]).
Deshalb beschränkt sich der Fließtext auf die Darstellung wesentlichster Züge der Historie.
5 Vgl Anders, Grundriß des Familienrechts (1899) 1; Krasnopolski, GZ 1904, 379 (383), 388, 395; Swoboda, GZ 1923, 57 (58);
Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (434).
6 Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen IV (1886) 32 in Fn 8.
7 Demelius, JBl 1948, 277 (277, s insb auch in Fn 7 zur Darstellung des Antrags Hortens bei Harrasowsky, Codex Theresianus
IV 32 in Fn 8); Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (434).
8 Harrasowsky, Codex Theresianus IV 32 in Fn 8; Krasnopolski, GZ 1904, 379 (383), 388, 395; Demelius, JBl 1948, 277 (277);
Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (434).
9 Patent vom 30.8.1782, Justizgesetzsammlung 1782/73 (abrufbar unter www.alex.onb.ac.at; zuletzt abgerufen am 7.4.2021).
10 Demelius, JBl 1948, 277 (278; insb auch in Fn 7 f); Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (434).
11 Patent vom 30.8.1782, Justizgesetzsammlung 1782/73 (abrufbar unter www.alex.onb.ac.at; zuletzt abgerufen am 7.4.2021).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal