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ALJ 2021 S.-F. Kraus 8
den angelegten Widerspruch zum Umstand, den man als den Umstand qualifiziert, der
(angeblich) zum Ersatz verpflichtet.44 Daher scheint es angezeigt, für die Begründung der
Haftung einen anderen Weg einzuschlagen. Als alternativer Weg bietet sich an, im Erwecken
von Vertrauen den Umstand zu sehen, der zum Schadenersatz verpflichtet.
1. Grundlegendes
Es bietet sich also an, den Umstand, der zum Ersatz verpflichtet, darin zu erblicken, dass
jemand erklärt, in Zukunft heiraten zu wollen, womit er Vertrauen erweckt. Dieser Erklärung
kann in der Sicht eines objektiven Empfängers nicht nur die Aussage entnommen werden,
dass der Erklärende zur Eheschließung bereit ist. Vielmehr lässt sich die erklärte Bereitschaft
zum Eingehen der Ehe aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers nur so verstehen, dass
keine erkennbaren Umstände vorliegen, die diesem Vorhaben entgegenstehen könnten, und
der Erklärende nicht ohne weiteres vom Entschluss, die Ehe künftig zu schließen, Abstand
nehmen wird. Demnach ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung das Nichtvorliegen von
Umständen, die objektiv für einen sich Verlobenden bedeutsam sind, und das Halten des
gegebenen Versprechens mangels besonderer Gegengründe, ein Inhalt, der sich durch
objektive Auslegung der Erklärung, sich verloben zu wollen, ermitteln lässt.
2. Zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf die erklärte
Eheabschlussbereitschaft
Dem Erklärungsempfänger zuzugestehen, auf die geweckte Bereitschaft zur Eheschließung
und die damit implizit verbundenen Aussagen vertrauen zu dürfen, findet eine Stütze im Lauf,
den eine Verlobung in der Regel nimmt.45 Denn auf Grund des „typischen“ Verlaufs der Dinge
nach einer Verlobung ist es nur allzu verständlich, beim Verlöbnis davon auszugehen, dass
die damit eigentlich angestrebte Ehe in Zukunft tatsächlich geschlossen, also am Weg zur
Eheschließung nichts schief gehen wird. Damit liegt es zugleich aus psychologischer Sicht
nahe, auf eine privatautonome Absicherung für den Fall zu verzichten, dass die Verlobung
scheitert. Umgekehrt wäre es geradezu „widernatürlich“46, Verlobten zuzumuten, dass sie der
„Zusicherung“ des zukünftigen Eheschlusses Misstrauen entgegenbringen müssen, statt
ihnen zu gestatten, dieser eine Vertrauensgrundlage zu entnehmen. Es würde nämlich
verlangt, sich dagegen privatautonom abzusichern, dass sich Voranstalten, Vorausgaben bzw
Dispositionen als „voreilig“ erweisen könnten, wenn und weil das Verlöbnis doch nicht in eine
Ehe mündet. Diese Absicherung würde noch dazu beim Werben eines anderen um Vertrauen
auf den zukünftigen Eheschluss und trotz der Tatsache verlangt, dass – mit den Worten
Zeillers47 – „Ehen nicht ohne Voranstalten und Vorausgaben geschlossen werden“ oder –
44 Vgl Ackermann, Die Haftung des Auftraggebers bei Vergabeverstößen, ZHR 164 (2000) 394 (420).
45 Der Bundesanstalt Statistik Österreich liegen laut schriftlicher Auskunft vom 16.3.2021 keine Daten dazu vor, wie viele
Verlöbnisse zu keiner Eheschließung führen. Aus dem persönlichen Bekanntenkreis ist dem Verfasser jedoch kein Verlöbnis
bekannt, das nicht zum Eheschluss führte.
46 Diese Wortwahl geht auf Singer (in FS Canaris [2002] 135 [145]) zurück. Singer spricht davon, dass es „jedenfalls dann
widernatürlich (erscheint)“ Misstrauen zur Grundlage des eigenen Verhaltens zu machen, wenn der Verhandlungspartner
für vertrauen wirbt und den Vertragsabschluss als sicher hinstellt.
47 Zeiller, ABGB I § 45 Anm 1 (S. 172); sehr ähnlich bereits ders, Jährlicher Beytrag III 124: „Denn Ehen können in den meisten
Fällen nicht ohne alle Voranstalten, ohne einen vorläufigen Aufwand, oder wohl auch ohne Aufopferungen des bisherigen
Erwerbs, wozu man sich ohne das Eheversprechen nicht entschlössen hätte, eingegangen werden.“. S in Anschluss an Zeiller
auch OGH 1 Ob 143/34 JBl 1934, 188 (189). Ähnlich auch schon Winiwarter (Oesterreichische bürgerliche Recht I 167), nach
dem eine Eheschließung verschiedene Vorbereitungen nötig macht, die niemand gern ohne einige Sicherheit des künftigen
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal