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ALJ 2021 S.-F. Kraus 18
gebührt.110 Das WGGB mag das Verschuldenserfordernis daher bereits auf fahrlässige
Verursachung herabgesetzt haben.111 Die Beratungsprotokolle zum ABGB112 belegen
jedenfalls unzweifelhaft, dass die Redaktoren des ABGB noch weiter gingen und von einem
Verschulden absahen.113
So erklärte Zeiller zu einer Erinnerung der Universität Wien wie folgt: Dieser Erinnerung
scheine es zwar entgegen zu stehen, dass nach dieser der ZurĂĽcktretende auch dann keinen
Schaden zu ersetzen hätte, „wenn sich ein, den Rücktritt rechtfertigender Zufall in seiner
eigenen Person ereignet“ (zB Untersagung der Ehe durch den Arzt aufgrund einer
eingetretenen körperlichen Schwäche). Nach dem Dafürhalten von Zeiller, sei „diese Folge
auch als eine stillschweigende Bedingung des Rücktrittes gerecht.“ Deshalb pflichtete Zeiller
der vorgeschlagenen Änderung bei. Die übrigen Redaktoren schlossen sich jedoch der
Meinung Zeillers nicht an. Vielmehr waren sie der Ansicht, dass bei Rücktritt des Teils, „von
dessen Seite sich die, die Ehe hindernde Ursache ereignete,“ er dem anderen Teil den
verursachten Schaden zu ersetzen habe. „[D]enn derjenige Theil, der keine Ursache für die
Trennung gab, und durch diese Trennung Schaden erleide, habe ein vollkommenes Recht auf
den Schadenersatz, welches ihm durch den Zufall, der den anderen trifft, nicht benommen
werden kann. Nach dieser Bemerkung werde auch in dem, von dem Ref. angegebenen Falle
derjenige Theil, dem die Ehe nach schon geschehenem Versprechen von seinem Arzte
untersaget wird, dem anderen Theile den hierdurch verursachten Schaden allerdings zu
ersetzen haben, denn er sei doch immer die causa materialis des RĂĽcktrittes; und es trete
hier, wie ĂĽberhaupt im Rechte, die Regel ein: daĂź der Zufall nur dem EigenthĂĽmer schade
(casus nocet domino).“114
Die Kommissionsmehrheit lehnte es in den Beratungen zum ABGB demnach zweifelsfrei ab,
die Haftung bei Verlöbnisrücktritt vom Verschulden abhängig zu machen.
VII. Zu den Einwänden gegen eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht
Diese klare Entscheidung der Redaktoren mag man als rechtspolitisch angreifbar oder gar
unbillig115 empfinden. Das ändert jedoch nichts daran, dass eine derart eindeutige Abwahl
110 Harrasowsky, Codex Theresianus IV 32 in Fn 8.
111 So Oberhofer, Ă–JZ 1994, 433 (437).
112 Die Beratungen, die im Folgenden auszugsweise zitiert werden, finden sich abgedr bei Ofner, Protokolle I 70 f.
113 Dolliner, Eherecht I² 20 f; Pfaff, Zur Lehre von Schadenersatz 44 in Fn 132; Schwind, Eherecht² § 46 ABGB Rz 2.1.3.;
Oberhofer, Ă–JZ 1994, 433 (437). Ebenso iE aber aA Koziol, JBl 1975, 61 (62).
114 Die Ergebnisse der Beratungen werden gerade auch von Zeiller (ABGB I § 46 Anm 2 [S. 173 f]) wie folgt zusammengefasst:
„Demnach kann die Entschädigung nicht nur verlangt werden, wenn der andere Theil muthwillig und durch sein Verschulden,
sondern auch, wenn er mit Grund, jedoch eines Ereignisses wegen, das in seiner Person oder von seiner Seit entstanden
ist, zurĂĽck tritt, z.B. einer Krankheit wegen, welche ihm die Verehelichung nicht verstattet. Ja es kann selbst der
zurücktretende Theil Entschädigung begehren, wenn der Rücktritt in dem Verschulden des anderen Theiles oder auch nur
in einem zufälligen Ereignisse von Seite desselben gegründet ist; nach dem Grundsatze, daß der Schuldige den Schaden
ersetzen, und selbst der Zufall denjenigen treffen soll, in dessen Person er sich ereignet hat.“ S auch bereits Zeiller (Jährlicher
Beytrag III 126): „Die Entschädigung kann der Theil fordern, von dessen Seite keine gegründete Ursache zum Rücktritt
entstanden ist, ohne Unterschied, ob der RĂĽcktritt durch Verschulden des andern Theils, oder auch durch einen widrigen
Zufall, der sich in dessen Person ereignet hat, und einen vernĂĽnftigen Grund zum RĂĽcktritt gibt, (wie z.B. eine
unverschuldete, Abscheu erregende Krankheit) herbeygeführt worden; […].“
115 Rittner, Eherecht 361 in Fn 8. S auch Krasnopolski, GZ 1904, 379, 388, 395 (397). S aber auch Dniestrzański, GrünhutsZ 33
(1906) 87 (169 f).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal