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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 29
Grundfreiheiten fast alle vorgegebenen Ziele. Keine Rechtfertigung gibt es allerdings für
restriktive Maßnahmen aus rein wirtschaftlichen Gründen.38
A. Denkbare Rechtfertigungsgründe
Aufgrund der Großzügigkeit des Gerichtshofes bei der Anerkennung von legitimen Zielen und
des Umstandes, dass es keine abschließende Liste gibt,39 kommen für die Nichtanerkennung
publizitätsloser ausländischer Sicherheiten in Österreich mehrere Rechtfertigungsgründe in
Betracht. Im Folgenden sollen nun einige davon kurz erläutert werden. In Literatur und
Judikatur immer wieder genannt wird dabei vor allem der Schutz der nationalen Güter- und
Gläubigerordnung.40 Auf den ersten Blick unklar ist jedoch, was genau unter diesen beiden
Schlagworten verstanden wird.
1. Schutz der Güterordnung
Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass mit dem „Schutz der Güterordnung“ zunächst wohl
vor allem die Aufrechterhaltung des Typenzwanges sowie des numerus clausus des
Sachenrechtes gemeint ist.41 Hinter diesen beiden allgemeinen Sachenrechtsprinzipien steht
das Interesse des Rechtsverkehres, sich nicht permanent mit einer Unzahl an inhaltlich
unbekannten, gegenüber jedermann wirksamen Sicherungsrechten auseinandersetzen zu
müssen.42 Genau dies würde jedoch eintreten, wenn man ausländische Mobiliarsicherheiten
anerkennen würde, welche nicht mit der Typenbeschränkung und dem Typenzwang zu
vereinbaren sind. Insofern erscheint es nachvollziehbar, die Aufrechterhaltung dieser
wesentlichen Prinzipien des österreichischen Sachenrechtes43 – und damit den Schutz der
dahinterstehenden Interessen – zur Rechtfertigung einer Nichtanerkennung von
ausländischen publizitätslosen Sicherheiten heranzuziehen.
Eine weitere tragende Säule des österreichischen Sachenrechtes wird durch das Prinzip des
Typenzwanges sowie der Typenbeschränkung jedoch noch nicht direkt erfasst: der
Grundsatz der Publizität im Mobiliarsicherungsrecht. Während sich nämlich sowohl der
Typenzwang als auch die Typenbeschränkung alleine auf die inhaltliche Ausgestaltung eines
Rechtes beziehen, so geht es bei der Publizität vielmehr um dessen Kenntlichmachung.44 Erst
das Publizitätsprinzip bezweckt, die Existenz eines drittwirksamen Rechtes erkennbar zu
machen und dadurch dem Interesse des Rechtsverkehres Rechnung zu tragen, von allenfalls
38 Kingreen in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV5 AEUV Art 36 Rn 91; Klamert, EU-Recht2 Rz 625, 653 ff.
39 Frenz, Handbuch Europarecht I2 Rz 559; Roth in Eidenmüller/Kieninger, Future of Secured Credit 52.
40 Siehe etwa Kieninger, Mobiliarsicherheiten 173 f; Schacherreiter, ZfRV 2005, 180; Basedow, RabelsZ 1995 (59), 44 f;
Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 31 IPRG Rz 30 mwN; Lurger, IPRax 2019, 563. Vgl auch OGH 3 Ob 249/18s.
41 So ausdrücklich Schacherreiter, ZfRV 2005, 180. Vgl auch Kieninger, Mobiliarsicherheiten 172 ff.
42 Vgl etwa Baur/Stürner, Sachenrecht18 (2009) § 1 Rn 9 f, wonach „Leichtigkeit und Sicherheit des Rechtsverkehrs [...] die
Typenbeschränkung und den typisierten Inhalt der Rechte an Sachgütern“ erfordern. Die absolute Wirkung der dinglichen
Rechte, wonach sie jedermann zu respektieren hat, setze voraus, dass „der Inhalt der dinglichen Rechte für jeden anderen
Rechtsgenossen erkennbar ist“. Vgl auch Akkermans, The Principle of Numerus Clausus in European Property Law (2008)
439, 484 f, wonach Rechtssicherheit die wohl tragende Überlegung hinter dem numerus clausus im Sachenrecht sei.
43 Vgl nur Iro/Riss, Sachenrecht7 Rz 1/5 f; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 308 Rz 1; Holzner in
Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum ABGB4 § 308 Rz 1.
44 Vgl Iro/Riss, Sachenrecht7 Rz 1/6 f.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal