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ALJ 2021 Lindenbauer 50
kann im Exekutions- oder Insolvenzfall darüber hinaus relativ einfach etwa durch das
Vorliegen (oder eben Nicht-Vorliegen) von Rechnungen und Zahlungsbelegen abgeklärt
werden.192 Das System der Rangfolge zwischen den einzelnen Gläubigern und Sicherheiten
sowie das Vertrauen des (überindividuellen) Verkehrs darin wird somit bloß durch die
Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes keinesfalls gestört. Insofern stellt diese eine
Ausnahme vom Publizitätsprinzip grundsätzlich auch keine Inkohärenz in Bezug auf das Ziel
des Schutzes der Gläubigerordnung dar.
Sehr wohl gestört werden könnte die inländische Gläubigerordnung und das Vertrauen des
Verkehrs darin jedoch werden, wenn in Exekutions- und Insolvenzverfahren plötzlich auch
fremde, der inländischen Rechtsordnung unbekannte publizitätslose Mobiliarsicherheiten zu
beachten wären. Den Rechtsunterworfenen wäre damit ein gewisser Grad an
Rechtssicherheit genommen. Sie könnten sich letztendlich nicht mehr auf den von der
inländischen Rechtsordnung gewährten Rang verlassen. Wie bereits Kieninger ausführte, ist
das Vertrauen der Rechtsunterworfenen in die jeweilige Güter- und Gläubigerordnung
jedoch „eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Rechtsverkehres“.193
Insofern erscheint die Nichtanerkennung von ausländischen publizitätslosen
Mobiliarsicherheiten durchaus verhältnismäßig, um die österreichische Gläubigerordnung zu
schützen.
Die Grundfreiheiten erfordern jedoch wiederum, dass all jene ausländischen publizitätslosen
Mobiliarsicherheiten, welche mit der österreichischen Gläubigerordnung zu vereinbaren
sind, anerkannt werden. Eine Nichtanerkennung würde gegen das
Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen, weil eine solche Maßnahme zum Schutz der
nationalen Gläubigerordnung weder geeignet noch erforderlich wäre. Dies betrifft aber
erneut nur ausländische Kaufpreissicherungen und deren funktionale Äquivalente, welche
dem österreichischen Eigentumsvorbehalt entsprechen. Aus der Nichtanerkennung des hier
im Fokus stehenden deutschen Sicherungseigentumes ergibt sich daher keine
Unionsrechtswidrigkeit im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Gläubigerordnung.
c. Gläubigerschutz
Sowohl der Schutz der Güterordnung als auch der Schutz der Gläubigerordnung kommen
also trotz Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes grundsätzlich als
Rechtfertigungsmöglichkeiten für die Nichtanerkennung publizitätsloser ausländischer
Mobiliarsicherheiten in Betracht. Fraglich ist, ob dasselbe auch für den Gläubigerschutz gilt.
Wie bereits erwähnt, wird dieser Aspekt in der Literatur als eines der Hauptziele des strengen
Publizitätserfordernisses gesehen.194 Die Publizitätspflicht solle allfällige Belastungen für den
Rechtsverkehr erkennbar machen und verhindern, dass Dritte in ihrem Vertrauen auf den
Haftungsfonds enttäuscht werden.195 Dem Schuldner soll insbesondere gar keine Möglichkeit
offen stehen, den künftigen Gläubiger durch aktive Täuschung in die Irre zu führen.196 Nach
Ansicht des OGH solle stets klar sein, ob eine Sache zum unbelasteten Vermögen des
192 Siehe insb Mayrhofer, Erweiterter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, ÖJZ 1969, 197 (202). Vgl auch Faber,
ÖBA 2019, 408; Faber, ZFR 2020, 282 f.
193 Kieninger, Mobiliarsicherheiten 174.
194 Vgl die Ausführungen in Kap III.A.3.
195 Vgl FN 55 f.
196 Siehe FN 58.
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book Austrian Law Journal, Volume 1/2021"
Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal