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ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 224
bindlichkeit durch Pfand. Auch das Pfandrecht sichert eine offene Forderung und endet mit voll-
ständiger Zahlung. Auch hier steht dem Sicherungsgeber erst mit vollständiger Zahlung (wieder)
vollwertiges Eigentum am Sicherungsgut zu. Dies gilt für alle Pfandbestellungen, unabhängig vom
Zweck der gesicherten Forderung und unabhängig davon, ob es sich bei der besicherten Verbind-
lichkeit um eine eigene oder um die eines Dritten handelt.47 Es erscheint auf dieser sachenrecht-
lichen Ebene also vielmehr Gleichbehandlung angezeigt; fĂĽr eine krasse Differenzierung im Hinblick
auf Publizitätsanforderungen findet sich wiederum keine Stütze.48
Eine denkbare Differenzierung ist hier noch zu ergänzen: In seiner umfassenden Untersuchung
zum deutschen, aber etwa auch zum US-amerikanischen Mobiliarsicherungsrecht hat jĂĽngst
Brinkmann mit Nachdruck die Auffassung vertreten, dass der (einfache) Eigentumsvorbehalt nicht
als einheitliches Institut begriffen werden könne. Vielmehr sei zu unterscheiden zwischen jenen
Fällen, in denen der Eigentumsvorbehalt zur Sicherung eines (idR längerfristig eingeräumten)
Kredits im wirtschaftlichen Sinne bestellt wird, und jenen, in denen eine solche Kreditierung nicht
bezweckt ist und das Hinausschieben des EigentumsĂĽbergangs lediglich der Sicherung des kauf-
rechtlichen Synallagmas diene, welches durch rein technische Verzögerungen wie das Ausstellen
einer Rechnung durch den Verkäufer, deren Prüfung und anschließende bargeldlose Begleichung
durch den Käufer gleichsam gedehnt werde. Im ersten Fall entfalte der Eigentumsvorbehalt eine –
mit dem Pfandrecht vergleichbare – Sicherungsfunktion; im zweiten hingegen nicht.49 Dies könnte
im hier diskutierten Zusammenhang fĂĽr einen differenzierenden Ansatz herangezogen werden,
der dahin ginge, dass jedenfalls beim erwähnten kurzfristigen, lediglich den gedehnten Zug-um-
Zug-Austausch sichernden Eigentumsvorbehalt wegen seiner rein kaufrechtlichen Funktion ein
Absehen von Publizitätsanforderungen gerechtfertigt wäre.
Auch einem solchen Ansatz wäre mE nicht zu folgen. Festzuhalten ist zunächst, dass sich Brink-
mann in seinen Ausführungen nicht auf Publizitätsfragen bezieht. Vielmehr geht es ihm bspw um
die Rechtfertigung stillschweigender Vorbehaltsvereinbarungen im Fall kurzfristiger Zahlungsziele
ohne Kreditierungsfunktion im Gegensatz zu Fällen mit langfristigen Zahlungszielen, ferner um eine
seiner Funktion angemessene Wirkung des Eigentumsvorbehalts in der Insolvenz (Aussonde-
rungsrecht bei bloĂźer Sicherung des Synallagmas, allenfalls bloĂźe Absonderungswirkung bei
Sicherung langfristigen Kredits).50 Neben wohl unvermeidlichen Abgrenzungsschwierigkeiten51
überzeugt aber jedenfalls im hier erörterten Publizitätskontext, der sich notgedrungen vor allem
der Perspektive Dritter annehmen muss, die von Brinkmann gezogene Schlussfolgerung nicht,
dass nämlich dem bloß für einen kurzen Zeitraum zur Wahrung des Synallagmas vereinbarten
Eigentumsvorbehalt keinerlei Sicherungsfunktion zukomme, die Kaufsache folglich gar nicht als
47 Dies im Gegensatz zu dem unter II.B. diskutierten Gesichtspunkt des annähernd gleichbleibenden Haftungsfonds,
der zwar zB bei der Pfandbestellung fĂĽr einen Investitionskredit ebenso Geltung beansprucht, bei Drittpfandbe-
stellung hingegen nicht. Dass der Eigentumsvorbehalt gerade eine Kaufpreisforderung sichert, spielt im Hinblick
auf die Sicherungsfunktion keine Rolle und kann hier demgemäß keinen Unterschied rechtfertigen.
48 Ähnlich im Ansatz Ch. Rabl in FS Bucher 614 FN 13.
49 Siehe Brinkmann, Kreditsicherheiten 177 ff.
50 Vgl Brinkmann, Kreditsicherheiten 181 f bzw 184 f sowie 416 ff im Vergleich zum US-Recht.
51 Konkretisierungen in Tagen oder Wochen scheinen schwierig. Brinkmann selbst nimmt an einer Stelle eine „echte“
Kreditierung im wirtschaftlichen Sinne (in welchem Fall dem Eigentumsvorbehalt Sicherungsfunktion zukomme)
bei Zahlungszielen von „mehr als zwei bis drei Wochen“ an (Brinkmann, Kreditsicherheiten 182). An anderer Stelle
betont er, der Verzicht auf ein Skonto von 2 %, um eine Zahlungsstundung von 20 Tagen zu erlangen, sei als Kredi-
tierung des Kaufpreises zu sehen (und zwar zu einem Zinssatz von rund 36 % pa; vgl Brinkmann, Kreditsicherheiten
33 f). Wo eine auch praktisch handhabbare Grenze zum Eigentumsvorbehalt mit reiner Zug-um-Zug-Funktion zu
ziehen wäre, ist schwer auszumachen.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal