Page - 244 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2015
Image of the Page - 244 -
Text of the Page - 244 -
ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 244
den geben muss, dass schlicht ein aus Praktikabilitätsgründen einzugehender Kompromiss vor-
liegt). Möglich sind allerdings einige Relativierungen.
Zunächst ist klar, dass sich eine aus dogmatischen Erwägungen als unbefriedigend empfundene
Ungleichbehandlung auf ein (zeitliches) Teilsegment beschränkt und Anschaffungsfinanzierungs-
sicherheiten bei Weitem nicht in ihrer Gesamtheit betrifft. Auch wirkt sich die Sonderregelung
keineswegs auf alle Typen von „Dritten“ aus: Die 35-Tage-Regel des IX.–3:107(2) DCFR betrifft das
Konzept der effectiveness und damit nach dem DCFR nur die in IX.–3:101(1) DCFR ausdrücklich
angeführten Typen von Drittgläubigern, insb Exekutions- und Insolvenzgläubiger. Gegenüber
kĂĽnftigen Erwerbern von Eigentum oder eines Sicherungsrechts an der Sache wirkt der acquisition
finance device wie alle Sicherungsrechte ohnehin bereits ab creation (also mit Ăśbergabe). Erwerber
konkurrierender, vom Sicherungsgeber (Vorbehaltskäufer) bestellter Sicherungsrechte am „Vor-
behaltsgut“ sind allerdings insoweit durchaus erheblich betroffen, als mit der Rückwirkung der
effectiveness auch die den Anschaffungsfinanzierungssicherheiten eingeräumte Superpriorität
rückwirkend eintritt und sie dem Anschaffungsfinanzierer damit nachgehen.136 Dies ist zwar primär
Konsequenz der allgemeinen Privilegierung von acquisition finance devices in Prioritätsfragen,
stellt aber unter Publizitätsgesichtspunkten jedenfalls einen Bruch dar.
Keine befriedigende Erklärung für unterschiedliche Publizitätsanforderungen während der ersten
35 Tage liefert nach hier vertretener Auffassung ferner der bereits oben erörterte hypothetische
Ansatz, dass Eigentumsvorbehalten mit kurzen Zahlungszielen, denen keine Kreditgewährung in
einem wirtschaftlichen Sinne zugrunde liegen, gar keine Sicherungsfunktion innewohne, sondern
lediglich der durch Rechnungslegung und unbare Zahlung „gedehnte“ Zug-um-Zug-Charakter des
Leistungsaustauschs gewahrt werden solle.137 Warum fehlende Erkennbarkeit während bis zu 35
Tagen aus Drittperspektive hier im Gegensatz zu anderen Sicherungsinstrumenten hingenommen
werden muss, vermag ein solcher Ansatz letztlich ja nicht zu erklären. Dass die Dauer, innerhalb
derer man sich mit der Publizitätslosigkeit abzufinden hat, nach dem DCFR anders als im geltenden
Recht streng begrenzt ist, ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Kaufpreissi-
cherung ursprĂĽnglich vielleicht nur fĂĽr kurze Zeit intendiert war. Auch die Ăśberlegung, dass poten-
zielle ungesicherte Kreditgeber, auf die das Konzept der effectiveness nach dem DCFR ja maĂźgeblich
abstellt, wohl primär am Bestehen langfristiger Belastungen des Schuldnervermögens interes-
siert sein werden, weil nur diese beim erst späteren Fälligwerden ihrer eigenen Ansprüche noch
existieren, hilft nicht entscheidend weiter. Denn auch langfristige Belastungen sind ja im Zeit-
punkt der konkreten Kreditierungsentscheidung noch nicht notwendig eingetragen.
Auf dogmatischer Ebene verbleibt somit eine gewisse Schieflage; deutlich geringer ausgeprägt als
nach geltendem Recht, aber doch. In faktischer Hinsicht mag das Unbehagen dadurch abgemildert
werden, dass auch für bloß kurzfristige Vorbehaltssicherungen eine Registrierung häufig bereits
vorab erfolgen wird, wenn die Lieferung im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung erfolgt
und die Vertragspartner von der Möglichkeit einer Pauschalregistrierung Gebrauch gemacht
haben.
136 Vgl Comment C zu IX.–3:107, DCFR Full Edition 5484 = PEL Prop. Sec. 410.
137 Dazu oben II.C. nach FN 48.
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 2/2015"
Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal