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ALJ 2/2016 Kontrolle der Europäischen Kommission gegenüber ihren Mitgliedern 143
Nach einer genauen Prüfung dieser Argumente der Kommission beschloss der Europäische Bür-
gerbeauftragte am 10. 4. 2014 aus eigener Initiative eine Untersuchung einzuleiten, da er in die-
ser mehr als „laxen“ Vorgangsweise der Europäischen Kommission einen eindeutigen „Miss-
stand“ zu erkennen glaubte. Der Bürgerbeauftragte durchforstete in der Folge die vertraulichen
Unterlagen, die die Kommission in diesem Zusammenhang angelegt hatte, und forderte auch
den Kommissar zu einer weiteren Stellungnahme auf, wobei er diesen darauf hinwies, dass es bei
seiner Untersuchung bloß um das Aufsichtsverhalten der Kommission selbst und nicht um des-
sen eigenes Verhalten gehe.
Trotzdem beschwerte sich der Kommissar in der Folge beim „Europäischen Datenschutzbeauf-
tragten“ (EDSB) über die Handhabung seiner persönlichen Daten durch den Bürgerbeauftragten
im Zuge der gegenständlichen Untersuchung.32 In seiner Antwort spezifizierte der Datenschutz-
beauftragte genau zwischen den Daten, die nicht veröffentlicht werden dürften und solchen, die
publikationsfähig seien. Damit gab sich aber der Kommissar nicht zufrieden und regte eine er-
neute Überprüfung durch den Datenschutzbeauftragten an, die dieser auch durchführte, dabei
aber zum selben Ergebnis wie bei seiner ersten Untersuchung kam. Daraufhin brachte der Kom-
missar eine Klage beim EuG ein, über die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts des
Bürgerbeauftragten aber noch nicht entschieden worden war, sodass dieser beschloss, seinen
Bericht zu anonymisieren.
Wie vorstehend erwähnt, sieht § 1.2. des Verhaltenskodex für Mitglieder der Kommission (2011)
vor, dass ehemalige Kommissionsmitglieder, die nach Beendigung ihres Amtes oder nach ihrem
Rücktritt beabsichtigen, innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden eine berufliche Tä-
tigkeit aufzunehmen, die Kommission rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen haben.33 Damit soll
vor allem ein Interessenskonflikt zwischen den schutzwürdigen Daten der Kommissionsverwal-
tung und den beruflichen Interessen eines ausgeschiedenen Kommissars vermieden werden.
Dafür ist es aber absolut erforderlich, dass der Kommissar dem Kollegium zeitgerecht mitteilt,
dass er eine berufliche Beschäftigung zu übernehmen beabsichtigt, und dabei der Kommission
auch alle einschlägigen Daten dazu übermittelt. Die Kommission kann sich dann, auf der Basis
dieser eingemeldeten Daten und unter Mithilfe des „Ausschusses unabhängiger Sachverständi-
ger“ bzw der „Ethikkommission“, eine gesicherte Meinung über den Sachverhalt bilden und an
diesen in der Folge die primär- und sekundärrechtlichen „Wohlverhaltenspflichten“ für ausge-
schiedene Kommissare anlegen. Sie kann dabei den Kommissar auffordern, entweder diese be-
rufliche Tätigkeit überhaupt nicht zu übernehmen oder zumindest Teile des Anforderungsprofils
auszuschließen. Sollte sich der Kommissar aber weigern diesen Vorgaben nachzukommen, so hat
die Kommission zu entscheiden, ob sie gem Art 245 Abs 2 AEUV damit den Gerichtshof betrauen
will oder nicht.
Dadurch, dass der Kommissar die Kommission aber nicht ex ante verständigt und über die Details
seines Dienstvertrages informiert hatte, nahm er der Kommission die Möglichkeit, irgendeine
präventive Maßnahme zu setzen, die uU einen Interessenskonflikt hätte vermeiden können.
32 Gemäß § 46a der VO (EG) 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 12. 2000 zum Schutz
natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der
Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (Datenschutzverordnung) ABl L 2001/8, 1 ff.
33 Vgl dazu vorstehend auf Seite 137.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal