Page - 82 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2017
Image of the Page - 82 -
Text of the Page - 82 -
ALJ 2/2017 Thomas Kröll 82
senschaftlicher Forschungsleistungen auf Zitate oder Verweise in Gerichtsentscheidungen abzu-
stellen? Eine einfache RIS-Abfrage macht dies möglich, soweit die Entscheidungen erfasst sind.
Was sagt aber ein Zitat oder Verweis aus? Wohl nur, dass das Gericht seine Entscheidungsbe-
grĂĽndung durch eine entsprechende Lehrmeinung abstĂĽtzt; abweichende Auffassungen wird es
dagegen kaum anführen. Was soll das aber nun genau über Qualität und Quantität der Forschungs-
leistung aussagen? Dieselbe Frage stellt sich bei Kriterien wie Arbeitszeit, Anwesenheit am Arbeits-
platz, PC-Laufzeit, Zahl einlangender und ausgehender Emails, aber auch Bibliotheksbesuche
oder Häufigkeit der Inanspruchnahme elektronischer Kataloge, Suchmaschinen oder Datenban-
ken. Informationen dazu sind vorhanden, unabhängig davon, ob sie zur Evaluierung aus Daten-
schutzgrĂĽnden ĂĽberhaupt herangezogen werden dĂĽrfen. Sie demonstrieren aber nur Anwesen-
heit am Arbeitsplatz, Betrieb des PC, Kommunikation, Inanspruchnahme der Bibliothekseinrich-
tungen. Welche Aussagekraft haben sie aber hinsichtlich der Qualität und Quantität von For-
schungsleistungen?
Unzulässig – weil wegen Verletzung der Wissenschaftsfreiheit verfassungswidrig – wäre es, wenn
auf der Grundlage der Evaluierungsergebnisse, sei es, dass sie Forschungsleistungen abbilden,
sei es, dass sie diese darĂĽber hinaus auch qualitativ und/oder quantitativ bewerten, einem aka-
demischen Forscher konkrete Forschungsverpflichtungen auferlegt werden, die die gesetzliche
und kollektivvertragliche Forschungsverpflichtung näher bestimmen. In welcher Form – hoheit-
lich oder privatrechtlich – ein solcher, die wissenschaftliche Forschung durch ihre Lenkung beein-
flussender Grundrechtseingriff erfolgt, ist zweitrangig, spielt diese doch nur bei der Durchsetzung
der Wissenschaftsfreiheit im Konfliktfall eine Rolle.
So wäre es als ein unzulässiger Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit zu qualifizieren, würde dem
akademischen Forscher aufgetragen, in einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Anzahl von
Publikationen zu verfassen, davon wiederum eine bestimmte Zahl fremdsprachige, in einem
„höherwertigen“ Format erscheinende, in einer klassifizierten Zeitschrift zu veröffentlichende
oder solche, die eine bestimmte wissenschaftliche oder gesellschaftliche „Relevanz“ aufweisen
oder einem Forschungsschwerpunkt der Universität entsprechen, den wissenschaftlichen
und/oder gesellschaftlichen „Impact“ seiner Forschungsergebnisse durch eine Erhöhung seiner
Zitate oder Verweise durch Dritte zu erhöhen, häufiger auf wissenschaftlichen Konferenzen auf-
zutreten und dort vorzutragen oder Drittmittel in näher bestimmter Höhe einzuwerben. Ein un-
zulässiger Eingriff in die wissenschaftliche Forschung wäre auch anzunehmen, würde der akade-
mische Forscher angehalten, seine Forschungstätigkeiten und -leistungen zu internationalisieren,
wenn die vertretene Fachwissenschaft national bestimmt ist. Ebenso wäre es unzulässig, würde ihm
im Zuge einer im Rahmen der Evaluierung erfolgenden qualitativen Bewertung der Forschungsleis-
tungen gar nahegelegt, als methodisch nicht einwandfrei durchgefĂĽhrt, unvertretbar, umstritten
oder ethisch bedenklich erachtete Forschungsergebnisse zurückzunehmen. Von einem unzuläs-
sigen Eingriff müsste zudem ausgegangen werden, hätte die Nichterfüllung konkreter Forschungs-
verpflichtungen fĂĽr den akademischen Forscher dienst- bzw arbeitsrechtliche Folgen, wie bspw
die KĂĽrzung des Gehaltes oder der ihm zur VerfĂĽgung gestellten finanziellen oder personellen
Ressourcen.
Auch einer vertraglichen Ăśbernahme konkreter Forschungsverpflichtungen durch den akademi-
schen Forscher in seinem Dienstvertrag sind engste Grenzen gesetzt. Verpflichtet sich dieser im
Zuge seiner Berufung zur Erbringung der Form nach bestimmter Forschungsleistungen in einem
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 2/2017"
Austrian Law Journal
Volume 2/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 108
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal